Eine Ringerdburg bei Strünkede
Karl Brandt widmete am 12. Dezember 1936 in der Herner Zeitung einen besonderen Artikel über Ringerdburg auf der heutigen Wallburgstraße.[1]
Die Ringerdburg bei Strünkede
Um eine Fliehburg kann es sich kaum gehandelt haben
Dort saßen zuerst die Strünkeder
(!) Herne, 12. Dezember.
Es ist mehrmals urkundlich überliefert, dass nahe der Burg Strünkede bis vor etwa 20 Jahren eine Ringerdburg gelegen hat, die aus drei konzentrischen Erdwällen mit davorliegenden Gräben bestanden bat. Hinter dem innersten Graben mit Wall lag ein freier Platz mit einem Durchmesser von etwa 50 Meter. Dieser Platz wurde von den drei Wällen mit den davorliegenden Gräben geschützt. Somit sah die Anlage wie folgt aus: ganz außen ein Graben, sofort dahinter ein Wall. Dann eine breitere ebene Fläche und es folgte wieder ein Graben und sofort dahinter wieder ein Wall. Nun folgte der letzte Graben und sofort anschließend der letzte Wall. Die Wälle waren aus dem Erdreich aufgeschüttet, das den Gräben entnommen war. Der innere Wall umschloss also ein Kernwerk, das von außen nach innen aus Graben, dann Wall, wieder Graben und dem innersten Wall bestand. Hinter letzterem lag der freie Platz mit einem Durchmesser von etwa 50 Meter. Der erste Graben des Kernwerkes war etwa 8 Meter breit. Der nun folgende Wall war an der Basis etwa 16 Meter breit und etwa 1.80 bis 2 Meter hoch. Die Breite des dann folgenden Grabens ist nicht bekannt, dieser dürfte aber ebenso breit wie der erste Graben gewesen sein. Der innerste Wall hatte eine Höbe von etwa 3,50 Meter. Somit kann das Kernwerk insgesamt einen Durchmesser von 90 bis 100 Meter gehabt haben. Nimmt man nun noch das äußere Werk hinzu, nämlich den äußersten Graben samt Wall, so dürfte das gesamte Erdwerk etwa 150 Meter Durchmesser gehabt haben.
Damit gibt sich das Gesamtwerk als eine sehr große Anlage zu erkennen. Stellen wir uns einmal vor, wieviel Menschen erforderlich waren. so ein Erdwerk zu verteidigen! Verteidigungszwecken muss dieses Werk gedient haben, es fragt sich nur welchen. Rektor Decker meint, es sei eine Fliehburg gewesen, ebenso wie Oberbürgermeister a. D. Schaefer. War es wirklich eine Fliehburg, so wäre zunächst die Frage zu stellen, für welchen Bezirk sie gedacht war. Sicherlich für Herne-Baukau, also für die in diesem Bezirk ansässigen germanischen Bauern. Um es vorweg zu sagen, für solch eine kleine Bauernschaft, und wären in alter Zeit doppelt oder gar dreimal so viel Höfe dort vorhanden gewesen, wäre die Fliehburg viel zu groß gewesen. Man hätte sie nicht wirksam verteidigen können!
Man hat in alter Zeit so viel Strategie gekannt, dass man den zu verteidigenden Raum möglichst klein anlegte, um ihn so wirksamer übersehen und verteidigen zu können. Wie dem auch sei, unsere Ringerdburg an Strünkede war in jedem Fall nur gegen kleinere Verbände von Angreifern zu halten, etwa gegen umberstreifende räuberische Banden. Man kann auch nicht annehmen, dass dieses Erdwerk für ganz Herne oder gar auch noch für die Umgebung gedacht gewesen wäre, so dass letzten Endes eine stattliche Schar Verteidiger zusammen gekommen wäre. Das können wir nicht annehmen, denn in Horsthausen lag ja der Hilligenwall und weiter an der Emscher ein rechteckiges Erdwerk mit Gräben und Wällen, von denen anzunehmen ist. dass sie etwa dasselbe Alter wie das Erdwerk von Strünkede haben.
Wäre das Strünkeder Erdwerk für einen größeren Bezirk gedacht gewesen, so hätte man einen strategisch besseren Geländeabschnitt ausgesucht als den im Lakmannsbusch, der von Natur aus nur den einzigen Vorteil bot, dass frisches Wasser und Wasser für die Gräben vorhanden war. Bedeutend vorteilhaftere Erdburganlagen hätte man im nahen Emscherbruch anlegen können, wo unwegsame Brüche ein Herannahen von Angreifern viel schlechter gestattet hätten, zumal so ein Erdwerk schlecht zu finden gewesen wäre. Alle Bedenken zusammengenommen ergeben mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, dass keine germanische Flieh= oder Schutzburg vorgelegen haben kann.
Nun haben sich an, wenn nicht gar in dem Strünkeder Erdwerk germanische Siedlungsreste aus dem 2. bis 3. Jahrhundert nach Christi gefunden. Diese Siedlungsreste in Zusammenhang mit dem Erdwerk zu bringen ist sehr gewagt und abzulehnen. Im Zusammenbang mit dem Erdwerk darf man diese vorgeschichtlichen Funde nie bringen. Sicher ist, dass der Geländekomplex westlich von der Burg Strünkede ein Gebiet darstellt, über dessen historische Bedeutung wir noch längst nicht letzte Aufschlüsse geben können. Dort fanden sich bekanntlich Gräber aus der Jungsteinzeit (um 2000 v. Chr.), Gräber aus der jüngsten Bronzezeit, in der Übergangszeit zur älteren Eisenzeit (um 800 v. Chr.) und Gräber aus dem 2. bis 3. Jahrhundert nach Chr., die zu den erwähnten Siedlungsresten gehören dürften. Ferner fanden sich westlich der Burg bei Ausgrabung des Friedhofes mehrere alte breite und lange künstlich angelegte Gräben. Etwas weiter westlich hat sich dann noch das erwähnte Erdwerk befunden. Somit liegt dort eine recht wichtige und heimatgeschichtlich sehr aufschlussreiche Geländestelle vor.
Wenn nun keine germanische oder gar sächsische Fliehburg vorliegt, was war es denn? Das lässt sich bis beute mit Sicherheit noch nicht sagen! Vielleicht darf angenommen werden, dass das Strünkeder Erdwerk dasselbe vorstellte wie der Hilligenwall, der als eine sogenannte Dynastenburg aus dem 10. bis 11. Jahrhundert gilt. Vielleicht darf man in dem Ringerdwerk die Keimzelle des Schlosses Strünkede und somit der späteren Ritter von Strünkede sehen. Dieser Gedanke hat sehr viel für sich, denn ursprünglich wohnten alle Adligen in einfachen Erdburgen und bei mancher Steinburg liegen heute noch die verfallenen Wälle von Erdburgen, auch in Westfalen. Auf der bekannten Tapete von Bayeux ist so eine „Urzelle“ einer Erdburg abgebildet.
Wir haben uns vorzustellen, dass in der innersten freien Fläche der Ringerdburg bei Strünkede das „Herrenhaus“ gelegen hat. Es war durch zwei Wälle und zwei Gräben besonders geschützt. In dem freien Raum vor dem Kernwerk (mit „Herrenhaus“) lagen sicherlich die Gebäulichkeiten aus Fachwerk errichtet, die zu einer bäuerlichen Wirtschaft gehörten. Dabei lagen wahrscheinlich noch die Wohngebäude der Bediensteten, der Knechte, Mägde (Leibeigene oder Unfreie). So bildete die Erdburg ein großes bäuerliches Gemeinwesen für sich. Es war ein Dorf für sich. Umgeben war alles mit dem äußeren Wall und dem davorliegenden Graben. In nächster Nähe der Erdburg lagen dann auch die Ländereien. So mögen Hilligenwall in Horsthausen und die Anlage bei Strünkede ausgesehen haben: beide waren Erdburgen adliger Herren. Die Herren vom Hilligenwall dürften es nicht bis zu Rittern gebracht haben, was vielleicht auf die größere Macht der Herren in der Erdburg auf Strünkede zurückzuführen ist.
Mit der Zeit mögen die Ritter der Erdburg mächtiger geworden sein und es ist in der Anlage von Burgen ein Wandel eingetreten. Man wird eine Burg aus Bruchsteinen errichtet haben. Wie schon erwähnt fanden sich auf dem Gelände des vorgeschichtlichen Friedhofes wenig westlich der äußersten Gräfte von Strünkede mehrere lange und breite Gräben. die dicht nebeneinander lagen. Vielleicht war das die zweite Burganlage, denn nach Burggräften, sahen die teilweise mit Torf gefüllten Gräben aus.
In späteren Jahrhunderten folgten weitere Burgneubauten, wie wir wissen. Denn Strünkede ist mehrmals eingenommen und zerstört worden. Ein Teil der jetzt noch stehenden Burg wurde 1662 errichtet. In früheren Jahrhunderten glich die Burg Strünkede einer kleinen Stadt! Bemerkenswert ist noch heute, dass das Herrenhaus genau wie in der alten Erdburg für sich liegt und extra mit einer breiten Gräfte umgeben ist. Hinter dieser Gräfte befanden sich die anderen Gebäulichkeiten, die heute längst verschwunden sind.
So können wir mit großer Wahrscheinlichkeit sagen. dass die leider verschwundene Erdburg an Strünkede keine Fliehburg war, schon gar nicht eine sächsische. denn Sachsen haben bei uns weit und breit überhaupt nicht gewohnt, sondern die Brukterer. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Erdburg die Keimzelle der späteren Burg Strünkede war.
H. A. Rennius.
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