Epilog auf den Hof Sengenhoff (HZ 1940)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Von Leo Reiners

Epilog auf den Hof Sengenhoff

Wieder verschwindet ein alter Herner Bauernhof.

Im H. A. [Herner Anzeiger] las der Verfasser vor einigen Tagen die Notiz, daß an der Ecke Shamrock= und Courriersstraße die dort noch stehenden alten Fachwerkhäuschen abgebrochen würden. Dieser Abbruch ist ein Ereignis, das einige Worte der Würdigung verlangt, denn es handelt sich bei diesen Häuschen um nichts anderes als um die reste des einstigen Bauernhofes Sengenhoff. Das Wohnhaus an der Shamrockstraße war ein Teil des ehemaligen Nauernhauses. Es soll daher im folgenden eine kurze Darstellung der Geschichte dieses Hofes gegeben werden, soweit sie dem Verfasser bei seiner Abwesenheit von Herne möglich ist.


Der Hof Sengenhoff hatte seine Lage auf der Höhe des Westabhanges der Talsenke, die der Westbach ausgewaschen hatte (noch heute ist diese Senke an dem Ab= und Aufstieg der Shamrockstraße zwischen Kronprinzenstraße und Courriersstraße gut zu erkennen). Ueber dem Ostabhang lagen die beiden Overkampschen Höfe und der Hof Bergelmann. Außer durch die Nähe des Baches war die Lage des Hofes Sengenhoff bestimmt durch die Straße, die vom Dorfe Herne nach Eickel führte, die heutige Shamrockstraße. Sie war zugleich Fahr= und Treibweg zu dem großen Gemeinschaftsbesitz der Alteingesessenen, dem im Westen Hernes gelegenen Regenkamp. Nördlich des Hofes, gleich an ihn anschließend, dehnte sich ein Waldstück aus.

Wie aus Unterlagen des Staatsarchivs Münster hervorgeht, war der Hof

ein Blankensteinsches Burglehen.

Die Burg Blankenstein ist im Jahre 1226 errichtet worden, als in Verfolg der Reichsacht gegen den Engelbertmörder Friedrich von Isenberg die Burgen Isenberg und Nienbrügge gesvhleift und Graf Adolf von Altena (später von der Mark) Besitznachfolger eines großen Teiles des isenbergischen Erbes wurde. Um seinen neuen Besitz gegen die isenbergische Partei zu verteidigen, erbaute er damals in der Nähe der ehemaligen Burg Isenberg die Burg Blankenstein, wie er in der Nähe von Nienbrügge die Burg Mark besaß und die Stadt Hamm anlegte. Nach dem Brauch des Mittelalters waren die Burgen mit Burgmännern besetzt, die zum Lohne mit Burglehen belehnt wurden. Wenn der Hof Sengenhoff ein solches Blankensteinsches Burglehen war, und zwar als einziges in Herne, so ist daraus zu schließen, daß er wahrscheinlich schon damals bestand und schon damals im Besitz des Grafen von der Mark war. Wenigstens wird er nicht viel später zu einem mit der Burg Blankenstein verbundenen Burglehen geworden sein. Er sieht also auf ein recht ehrwürdiges Alter zurück.

Urkundlich nachweisbar ist der Hof zuerst aus dem Märkischen Schatzbuch des Jahres 1486. Damals sollte "Ruttger op der Sengenhave" 4 Goldgulden Schatzung zahlen. Als erste Rate hatte er aber nicht die vorgesehene Hälfte von zwei Goldgulden, sondern nur 1 Goldgulden und 7 Stüber bezahlt. Statt der zweiten Rate zahlte er gar nichts, denn, so heißt es in der Schatzliste, "nil habet", er hatte nichts. Die wirtschaftliche Lage des Hofes war also damals recht schlecht, trotzdem er mit z den am höchsten veranlagten gehörte. In den späteren Steuerlisten (von 1542, 1598 und 1654) erscheint er als "Senghoff", "Senchenhoff" und "Sengenhoff" mit einer Feuerstelle. Als GRUNDHERR wird 1662 das

Haus Gysenberg

genannt. Diesem gehörte der Hof auch noch 1780. Da wir aber gesehen haben, daß der eigentliche Herr des Hofes der GRAF VON DER MARK (Rechtsnachfolger der Kurfürst von Brandenburg bzw. König von Preußen) war, muß geschlossen werden, daß das Haus Gysenberg damit belehnt war. Der Bauer Sengenhoff war nur der (Erb=)Pächter, der an das Haus Gysenberg seine Abgaben zu entrichten hatte. Im Jahre 1810 waren aber nach dem Herner Grund= und Hypothekenbuch die Eheleute Joh. Wilh. Sengenhoff Eigentümer des Hofes, so daß zwischen 1780 und 1810 der Erwerb des Hofes durch den Pächter Sengenhoff aus der Hand des Erbnachfolger der Gysenberger erfolgt sein muß.

Wie hoch der Kaufpreis und die Pachtabgaben waren, die die Grundlage zur Berechnung dieses Kaufpreises bildeten, darüber liegt uns zur Zeit keine Nachricht vor. Wohl wissen wir, daß an "Kirchensteuern" folgende Abgaben zu entrichten waren: 1 Scheffel Hafer altbochumschen Maßes an die erste lutherische Pastorat, 3 Scheffel Roggen, 3 Scheffel Gerste altbochumschen Maßes und 1 Brot an die lutherischen Armen, sowie 2 Brote und 2 Stiegen Roggengarben an den lutherischen Küster in Herne.

Jahrhundertelang hatte rein bäuerliches Leben auf dem Hofe geherrscht. Man hatte nichts anderes gekannt als das Säen und Ernten, das Werden und Vergehen auf dem Felde, im Stalle, in der Familie. Da kamen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Männer und bohrten nach Kohle, und eines Tages, da wurde

auf "Sengenhoffs Feld" die erste Herne Zeche

angelegt. Der Ire William Thomas Mulvany war es, der am 15. April 1856 mit dem Bauern Heinrich Sengenhoff vor dem Notar Weygand in Bochum erschien und im Namen der Bergwerksgesellschaft Shamrock von dem Bauern ein "Sengenhoffs Feld" genanntes Grundstück und ein Stück des Wäldchens am Hofe für 7300 Taler kaufte. Es wurde der Schacht Shamrock I angelegt, und nun zog EINE NEUE ZEIT, das Zeitalter der Industrie, herauf. Die Zeche wuchs und breitete sich immer mehr aus, immer mehr Grund und Boden des alten Bauernhofes und mancher anderen Bauern und Kötter bedeckte sich mit Gebäuden, Schienensträngen und anderen Verkehrswegen, und eines Tages, da verließ auch die Familie Sengenhoff ihren altangestammten Hof. Gegen den Riesen Zeche war er ein kleines Nichts geworden.

Viele haben gar nicht mehr gewußt, daß die kleinen Fachwerkbauten, die da im Schatten der großen Zeche standen, die ehrwürdigen Zeugen einer langen bäuerlichen Vergangenheit des Shamrock=Gebietes waren. Wohl hat sicherlich jeder das Symbolhafte dieses Bildes empfunden, wenn er die Shamrockstraße in Richtung zur Zeche entlangschreitend, das helle, weiß=schwarze Fachwerk dieser kleinen Gebäude sich gegn die Fördergerüste, Werksgebäude, Halden und Gasometer abheben sah. Un darum wird es manchem leid tun, daß dieses Bild jetzt verschwindet. Bisher schien es, als habe sich noch ein wenig Vergangenheit gegen das Andringen der neuen Zeit zu retten vermocht, nun ist auch dieses vorbei. Die Zeche hat ganz gesiegt. Der Hof Sengenhoff ist ausgelöscht. [1]

Dr. Reiners.

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Einzelnachweise

  1. Text aus dem Originalartikel der Herner Zeitung vom 28. September 1940 online auf Zeitpunkt.nrw