Erwin Muhs

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Erwin Muhs, (* 26. Juli 1917 in Elbing/Westpreußen, † 3. April 1998 in Herne)


Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 13. Juli 2007

"Nicht betteln, sondern kämpfen!"

Wenn es um die Belange seiner Kollegen ging, kannte der Gewerkschafter Erwin Muhs nichts. Der Kämpfer um Shamrock, der heute als "Typ" durchginge, würde am 26. Juli 90 Jahre alt

Er war das, was man eine schillernde Figur nennt; eine herausragende Persönlichkeit der Herner Arbeiterbewegung, wie Norbert Arndt ihn bezeichnet, stellvertretender Geschäftsführer von Verdi Bochum-Herne. Die Rede ist von dem vor neun Jahren verstorbenen Erwin Muhs. Weite Teile seines Lebens sind untrennbar mit der Schachtanlage Shamrock verbunden, die 1967 nach 110 Jahren die Förderung einstellte.

Am 26. Juli würde Erwin Muhs 90 Jahre alt. Norbert Arndt: "Seit 1948 Angehöriger des Betriebsrates, ab 1950 bis zum Ende des Pütts dessen Vorsitzender - Gründe, um an ihn zu erinnern."

Im Oktober 1964 sorgt die Ankündigung neuerlicher Zechenschließungen im Ruhrgebiet für eine Welle der Empörung. Auch die Schachtanlagen in Herne und Wanne-Eickel werden von der um sich greifenden Unruhe erfasst. Die Kumpel der zur bundeseigenen Bergwerksgesellschaft Hibernia gehörenden Zechen Shamrock I/II und III/IV müssen rasch erfahren, dass auch ihr Pütt einschließlich der Kokereien "vorsorglich zur Stilllegung angemeldet" ist. Die beiden Städte kommen nicht mehr zur Ruhe.

Diese Wochen sind an vorderster Stelle für den damaligen Betriebsratsvorsitzenden der Schächte I/II und langjährigen Bergarbeiterfunktionär Erwin Muhs aufreibend und von der Sorge um die 4 000 Beschäftigten der beiden Hibernia-Zechen und deren Familien erfüllt.

Die Shamrock-Betriebsräte, allen voran ihr Vorsitzender, nehmen den Kampf um ihre Arbeitsplätze auf. Solidaritätsaktionen der Belegschaften von Friedrich der Große und Mont Cenis bleiben zur Enttäuschung der "Shamrocker" allerdings aus. Hier fühlt man sich noch in Sicherheit - eine trügerische Sicherheit, wie sich schon bald zeigen wird.

Es kommt zu Kundgebungen der Shamrock-Bergleute in Herne und Wanne-Eickel. Erwin Muhs fordert die Kumpel auf: "Lasst uns in einem Protestmarsch gemeinsam nach Bonn ziehen!" Schwere Vorwürfe richtet er gegen den Hibernia-Vorstand und die Bundesregierung, die mit ihrer Politik gegen die Interessen des Bergbaus den Ölfeldern die Tore öffne. Mit Nachdruck stellt sich der Betriebsratsvorsitzende nicht zuletzt vor die 150 griechischen Gastarbeiter, die wie ihre deutschen Kollegen in eine ungewisse Zukunft blicken.

Erwin Muhs lässt nicht locker. "Um seine Lebensrechte bettelt man nicht, sondern kämpft man", sagt er und appelliert an Öffentlichkeit und Parteien, fordert Solidartät ein, gibt Interviews, spricht in Versammlungen und verfasst Petitionen. Letztlich ohne Erfolg, wie er sich selbst eingestehen muss. Dem zunächst schleichenden folgt 1967 das endgültige Aus für Shamrock. Bleibende Verdienste erwirbt sich der Kämpfer mit der Durchsetzung eines geradezu mustergültigen Sozialplanes, der den Bergarbeiterfamilien unter anderem ein unbefristetes Wohnrecht in den Zechenhäusern garantiert. Erwin Muhs selbst findet nach der Schließung zusammen mit mehreren seiner Kumpel Arbeit in der Wanne-Eickeler Veba-Chemie, aus der er 1977 in Rente geht.

"Er war widerborstig, wenn es um seine Sache und die seiner Kumpel ging, niemals stromlinienförmig", sagt Norbert Arndt, um sich in Erwin Muhs selbst ein bisschen wiederzufinden: "So wie ich, ich bin ja ungefähr genau so."

Edith Muhs, die mit ihrem Mann in zwei Jahren das Fest der diamantenen Hochzeit feiern könnte, ergänzt: "Er war ein Mann für alle Fälle." Das kann Sohn Udo bestätigen, in der Nacht der Flucht aus Westpreußen vom 23. auf den 24. Januar 1945 zwölf Monate alt: "Zum Beispiel als Knappschaftsältester war er sozusagen rund um die Uhr für seine Leute da."

Edith Muhs hat nichts an dem kleinen Zimmer in dem Haus an der Holsterhauser Straße verändert, das ihrem Mann als Büro gedient hat. Der Sohn erinnert sich: "Fast den ganzen Tag hörte man aus dem Raum das Klappern der Schreibmaschine, auf dem Tisch stapelte sich ein Papierkram ohne Ende. Und wenn jemand anrief, weil er etwa einen Krankenschein benötigte, konnte er jederzeit kommen - Vater kannte keine Geschäftszeiten." Gattin Edith verabschiedete sich derweil mit Vorliebe zu den Turnveranstaltungen des Vereins Sport mit Senioren. Auch zu dessen Gründern hatte ihr Mann 1984 gehört.

Nicht zu vergessen: Sogar zu Fernsehruhm hat es Erwin Muhs gebracht. Zeitweilig Mitglied einer 1960 gegründeten vorübergehenden parteilichen Erscheinung namens Deutsche Friedensunion (DFU), die weithin als ein von der "Ostzone" in die Bundesrepublik eingeschleustes Trojanisches Pferd galt, gestaltete der Herner im Bundestagswahlkampf einen Werbespot für seine politischen Freunde. Solche Reklame kam damals noch nicht aus der Konserve. Erwin Muhs muss Ungeheuerliches von sich gegeben haben, denn die TV-Verantwortlichen drehten ihm alsbald den Saft ab.

Auf dem Sportplatz am Sommerbad hätte man das nicht gewagt. Erwin Muhs war als Sozialwart des BV Herne-Süd zugleich Stadionsprecher des Vereins. Allein seine Werbedurchsagen in den Halbzeitpausen, so erinnern sich Weggefährten, seien das Eintrittsgeld stets wert gewesen.

"Er war widerborstig und niemals stromlinienförmig"

Von George Huneck

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