Lebendige Vergangenheit weicht den Erfordernissen der Zukunft (HZ 1966)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Der alte Kossmannshof ist verschwunden. Stadtplanung ist wichtiger als Rücksichtname auf ehrwürdige Zeugen der Herner Vergangenheit. Unser Bild zeigt den Kotten von der Hofseite her.

Herner Zeitung vom 4. Januar 1966

Lebendige Vergangenheit weicht den Erfordernissen der Zukunft
„Kossmannshof" verschwand / Der bekannte Baukauer Kotten zählte über 200 Jahre

Herner Heimatfreunde erinnern sich: Vor nicht allzu langer Zeit wurde, in der Lokalpresse auf einen Baukauer Kotten hingewiesen, der das ehrwürdige Alter von mehr als 200 Jahren hatte. Damals wurden viele Bilder dieses Hauses veröffentlicht und alle, die sich mit der Geschichte der Emscherstadt verbunden fühlten, waren regelrecht stolz auf diesen Veteranen. Doch alles ist vergänglich, und in den letzten Tagen des alten Jahres wurde „Kossmannshof" dem Boden gleichgemacht. Auch er fiel, wie so manches Gebäude in diesem Stadtteil, einer auf die Zukunft gerichteten Stadt- und Verkehrsplanung zum Opfer.

Johann Jürgen Kossem und seine Ehefrau Margeta Hop von Hiltrop errichteten den Kotten im Jahre 1764. Das besagte die Inschrift auf dem breiten Eichenbalken über der Deele. Er war das älteste Fachwerkhaus in Baukau, und als der Bagger sein zerstörendes Werk begann, konnte man an den entblößten Spuren und Resten manches über sein Schicksal ablesen.

Da unter Gottfried von Strünkede um das Jahr 1666 bereits eine ganze Anzahl „Ackersmänner" nur teilweise von der Herrschaft abhängig war, so könnte demnach auch Johann Jürgen Kossem ein solcher Ackersmann gewesen sein, denn der eigentliche Loskauf der Bauern in Baukau von der Herrchhaft der Strünkeder erfolgte erst im Jahre 1787.

Fachwerk, 200 Jahre alt. Holz, Reisig und Lehm überstanden Jahrhunderte.

Der Anlage nach war es kein eigentlicher Bauernhof, sondern nur ein Kotten. Wie andere Kot ten auch, hatte er eine hohe Deele mit recht massiven und unbehauenen Querbalken, kleine Stallungen zur linken und mehrere Wohnungen. Die Giebelwand war charakteristisch nach vorn geneigt. Sie bestand aus groben halbverwitterten Brettern, hatte ein Heuloch über dem Eingang und im oberen Teil einen schützenden Vortritt. Das Gerippe des Fachwerks war aus starken Eichenbohlen gefügt und mit Holzsplinten in den Bohrungen verkeilt. Im Verlaufe der Zeit wurde manches an dem Bau geändert. Die meisten Füllungen, besonders an der Vorderwand, waren mit Ziegeln, den sogenannten „Feldbrennern" ausgebaut. Nur einzelne, durch den Abbruch freigelegte Wandfelder waren noch nach alter Bauart mit einem Weidengeflecht verstärkt und mit einem besonders verarbeiteten und mit Stroh durchknetete Lehm ausgefüllt. Später wurden ganze Flächen des Fachwerks gegen Wind und Wetter mit quadratischen Zinkplatten und an der Westseite mit Brettern und Dachpappe geschützt.

Der Abbruch des Hauses war für den Unternehmen "Routinesache". Dem trockenen Holzwerk ging er kurzerhand mit Feuer zu leibe. Die Balken brannten unter Aufsicht der Feuerwehr wie Zunder. Was die Flammen übrig ließen, wurde von Räumbaggern abgetragen. Für sie ein Werk weniger Stunden.

Nur beim Eingang und an der Stallseite blieb das offene Fachwerk bis zuletzt erhalten. Da die oberen Begrenzungsmauern von früher her schon stark vom Rauch geschwärzt und teilweise sogar angekohlt waren, ist anzunehmen, daß das Dach des Kotten schon einmal abgebrannt war und später neu erstellt wurde. Eingedeckt war der Kotten, mit roten halbrunden Dachziegeln, die man im Volksmund mit „Mönch und Nonne" bezeichnet. Die kleinen Zimmer im Kotten waren alle quadratisch, niedrig und in zwei Etagen gelagert. Von der Deele gelangte man über eine Holztreppe in die oberen Räume, die so niedrig waren, daß darin nur normale Menschen aufrecht stehen konnten. Dagegen waren die unteren Zimmerchen etwas höher, aber auch dort konnte man mühelos die Decke mit der ausgestreckten Hand abtasten. Alle Fenster hatten Schlagläden. Um das Haus herum standen in letzter Zeit nur wenige Sträucher und Obstbäume. Das dazugehörige Land hielt ein in der Nähe wohnender Bauer in Pacht. Bis zum Jahre 1953 wurden die Räume des Hauses mit einer Petroleumlampe beleuchtet. Dann erst kam elektrisches Licht. Auch ein Brunnen befand sich einstmals vor dem Hause. Nachdem man auch dort Wasserleitungen gelegt hatte, wurde er zugeschüttet. Die Lage des Hauses war genau nach den vier Himmelrichtungen Norden und Süden, Osten und Westen angelegt.

Von der Familie Kossem erwarb die Familie Sichtermann das Haus. Als man später den Rhein-Herne-Kanal baute, erwarb die Hafengesellschaft Herner/Wanne-Eickel das Anwesen und vermietete es an Private. Schweren Herzens verließ die Familie Neubert Anfang Dezember 1965 als letzte Mieterin das Haus. Sozusagen in letzter Minute wurde der historisch bedeutsame Deelenbalken durch das Eingreifen des Kulturamtes für das Emschertalmuseum gerettet. Auf diesem Balken steht der Psalm:

Die Gerechten erben das Land und bleiben drin.
Der Mund des Gerechten redet die Weisheit und sein Auge (Mund) lehrt das Recht
Psalm 37 V. 79
Johann Jürgen Kossem und Anamargarete Hob v. Hiltrop[1]

Mit dem Abbruch des Fachwerkhauses „Kossmannshof" ist ein wesentliches Stück Geschichte von Alt-Baukau verschwunden.

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Quelle

Stadtarchiv Herne Ordner Bauernhöfe und Kotten in Herne

Einzelnachweise

  1. Decker 1927/1980 S. 76. Anmerkung: Es sind dieses die im Volksmunde gebräuchlichen Namen, Schreibnamen waren Koßmann und Hoppe.