Die Dorfarmen im alten Kirchspiel Herne

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In der Herner Zeitung wurde am 2. April 1942 erschien ein kurzer Artikel über die Armen im Dorf Herne. Der Autor (verm. Karl Brandt) schrieb: [1]

Die Dorfarmen im alten Kirchspiel Herne

12 Monate „Bewährungsfrist“ für das Bürgerrecht / Hausarme und Armenhausbewohner

Im Allgemeinen wird geglaubt, dass es in der früheren dörflichen Zeit unserer Stadt keine „armen Leute“ gegeben hat, d. b. Volksgenossen ohne Eigentum und festen Erwerb. Man stellt sich die bäuerliche Vergangenheit aber wohl zu paradiesisch vor; sie sah etwas anders aus. Gewiss, die alteingesessenen Bauern waren durchweg wohlhabend, zumal sie seit germanischen Zeiten Mitbesitzer des großen Gemeindeeigentums an Boden und Wäldern waren. Sie wahrten ihre ureigenen Privilegien gegen Neuhinzugezogene, die sich keine Rechte an Grund und Boden erwerben konnten. Vor etwa 1000 Jahren und noch früher hatten es die Neuansiedler leichter. Erhob niemand der Dorfbewohner Einspruch gegen ihren Einzug, so erlangten sie nach 12 Monaten sozusagen Bürgerrecht. Die 12 Monate waren eine Art Bewährungsfrist.

Zugewandert und arm geblieben...

Diese uralten, ausgezeichneten germanischen Gesetze verloren in späteren Jahrhunderten ihre Kraft, und so blieben Neuankömmlinge von den Allgemeinrechten ausgeschlossen. Damit war aber auch die Voraussetzung für die Verarmung einzelner geschaffen. Prüft man die Armenverhältnisse genauer, so stellt sich heraus, dass die „Dorfarmen“ nur zum geringen Teil altortsansässig waren. Es handelte sich z. B. um seit wenigen Jahrzehnten ansässige Tagelöhner. Knechte, Mägde, verarmte Kötter, altersschwache Leute, mit schwereren Leiden behaftete Menschen, wie Krüppel usw. Es gab Hausarme und andere, die im Armenhaus der Kirchengemeinde untergebracht waren. Die Armenbetreung war somit Aufgabe der Kirchengemeinde.

Dank eines glücklichen Umstandes können wir einen Blick in die Armenpflege der Evangl. Kirchengemeinde Herne vor etwa 160 Jahren tun. Vor uns liegt ein Teil einer Buchführung eines damaligen Armenprovisors aus den Jahren 1779—1782. Es hat einen eigenen Reiz, in den alten Blättern zu lesen. Da steigt vor unseren geistigen Augen ein Ausschnitt aus dem Leben im alten Dorfe Herne und im gesamten Kirchspiel auf. Wir lernen die verschiedensten Handwerke, viele Namen und damalige Gebräuche kennen! Auf den Einnahmeseiten finden wir die Namen alter Bauerngeschlechter, die „behufs der Armen" abgabepflichtig waren. Es steht jedes Mal dabei, wenn statt des üblichen Getreides ein bestimmter Geldbetrag bei der Armenkasse eingezahlt worden ist. Gewöhnlich gab der Bauer eine bestimmte Anzahl Brote, der andere Eier, der dritte Fleischwaren, Getreide usw.

Hochzeitschüsseln aus dem Armenhaus!

Eine Reihe Herner Bauern zahlten aber auch für ausgeliehene Kapitalien „den Zins“ an die Armenkasse. Freilich waren es kleine ausgeliehene Summen; denn für 1779 werden 30 Reichstaler und 1782 einige Taler mehr (32 Taler) genannt. Im angegebenen Zeitraum sind so 126 Reichstaler hereingekommen. An barem Geld wurden in den erwähnten 4 Jahren 546 Reichstaler in Berliner Währung verbucht. Hinzu kommen noch einige Naturalabgaben und die Gebühren für das Ausleihen von Geschirr bei festlichen Gelegenheiten. Seit alters her besaß das Herner Armenhaus viele Schüsseln. Teller, Krüge usw., die gegen eine Gebühr für Hochzeiten, Kindtaufen. Richtfeste usw. verliehen wurden. Dadurch kam jährlich ein Betrag von etwa 10 Talern ein. Bürgermeister mit Nebengeschäft

Auf den Ausgabeseiten finden wir kleine Unkosten aller Art. Da hat der Dachdecker Anton Albrecht für das Eindecken des Armenhauses einen Betrag erhalten, der Schmied Bonenkamp für Schmiedearbeiten, der Schneider Joh. Henrich Junghanß[2] für Nähen und Flicken „behufs der Armen“ und der Schuster Klaß für Schuhe und Reparaturarbeiten ebenfalls je einen kleinen Betrag, der höchstens je 8 Taler für das ganze Jahr betrug. Der Bürgermeister Jakobi[3] bekam für ein paar Strümpfe für die Armen einige Pfennige; er hatte nebenbei anscheinend einen Laden. Für Waschen und Flicken der Armenwäsche wurde alljährlich auch ein Betrag ausgegeben.

Dann tauchten immer wieder Almosen für arme Reisende auf. So z. B.: „An einen Emigranten 15 Stüber bezahlet". An die Hausarmen wurden gleichfalls Geldbeträge gezahlt. Zum lebenden Inventar gehörte anscheinend eine Arme mit Namen Marie, die ab und zu auch etwas Geld erhielt. Doch bald lesen wir: „Laut Ausweis für einen Sarg der verstorbenen Marien im Armenhause mit Zubehör bezahlet 1 Reichstaler und 30 Stüber. An Begräbniskosten derselben 30 Stüber 6 Pfennige.“ Ein armer blinder Mann erhielt 15 Stüber und ein armes Kind 1 Taler.

Wie man sieht: Wenn einmal die Geschichte der Armenpflege im alten Kirchspiel Herne geschrieben wird, könnte ein interessantes und aufschlussreiches Büchlein daraus werden

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Siehe auch


Quellen und Anmerkungen

  1. online auf Zeitpunkt.nrw
  2. 1723-1799
  3. Es gab im alten nHerne keinen Bürgermeister. Daher ist eher Johan Wilhelm Jacob 1734-1794 als Gemeindevorsteher gemeint.