Gegen alle Widerstände
120 Jahre Stadtrecht, oder wie sich ein einfacher Amtmann gegen Bauern und Industrie durchsetzte
Zu Hernes bedeutenden Personen zählt zweifelsohne Hermann Schaefer. Die Schaeferstraße in Herne-Mitte erinnert an den Mann, der zielstrebig, hartnäckig und mit taktischem Geschick Herne zur Stadt machte.
Karrierestart als Offizier
Schaefer entschied sich zunächst für eine Offizierslaufbahn, bevor er als Hauptmann a. D. in die Münsteraner Kommunalverwaltung wechselte und dann Amtmann von Ückendorf wurde. Früh verwitwet, wechselte der 31-Jährige 1879 nach Herne.
Selbstbewusst, sachlich, pragmatisch, das waren die herausragenden Charaktereigenschaften von Hermann Schaefer. Gleichwohl war er als kaisertreuer Monarchist ganz dem preußischen, militaristischen Obrigkeitsstaat verhaftet. So ließ Schaefer bei Ausbruch der Bergarbeiterunruhen von 1899, die als "Herner Polenkrawalle" in die Geschichte eingingen, kompromisslos auf protestierende Bergleute schießen.
Seinen Untergebenen gegenüber trat er jovial und autoritär zugleich auf. Verhandlungen mit gleichberechtigten Partnern führte er, Umwege gehend, geduldig. Zäh und ausdauernd verhielt er sich bei übergeordneten Stellen, wenn es darum ging, als notwendig erkannte Vorhaben durchzusetzen.
Nach Schaefers Ansicht war Herne schon vor 1879 „stadtreif“ gewesen. Seine Argumente dafür waren der 1847 eröffnete Bahnhof der Köln-Mindener Eisenbahn, der sich seit 1856 ausbreitende Kohlebergbau und die sich ansiedelnde eisenverarbeitende Industrie, die in erster Linie aus Maschinenbau- und Bergbauzulieferbetrieben bestand. Hinzu kam die durch die Industrialisierung stetig anwachsende Bevölkerungszahl.
Hier Dorf – dort Industrie
Seiner Überzeugung folgend, setzte er alles daran, für Herne das Stadtrecht zu erlangen. Um dieses Ziel zu erreichen war es wichtig, die alteingesessene, durch die Landwirtschaft geprägte Bevölkerung und die aufstrebende Industrie, die von zugezogenen Investoren getragen wurde, zusammenzubringen. Leichter gesagt als getan. Jede Seite war nach der Devise „hier Dorf, dort Industrie“ auf die eigenen Vorteile bedacht. Gleichzeitig gingen beide Seiten aus unterschiedlichen Motiven ein Bündnis gegen die angestrebte Stadtgründung ein, was Hermann Schaefer in seinen Erinnerungen als seltsam ansah, "daß damals einflußreiche Leute in Herne gegen die Einführung der Städte-Ordnung waren und sie immer hinauszuschieben wußten". Unbeirrt hielt er an seinem Weg fest. Durch fachlich versiertes Handeln, viel Diplomatie und noch mehr Tatkraft war er schließlich erfolgreich: Am 1. April 1897 wurde Herne Stadt und Schaefer Bürgermeister. Durch Erlangung der Kreisfreiheit am 1. Juli 1906 wurde er der erste Oberbürgermeister der noch jungen Stadt Herne.
Wiedervereinigung mit Wanne und Eickel im Fokus
Doch damit nicht genug. Bei Stadtwerdung entließ er aus taktischen Gründen zunächst die Landgemeinden Baukau und Horsthausen in das neugeschaffene Amt Baukau, mit dem Ziel, diese später einzugemeinden. Das geschah am 1. April 1908, das Stadtgebiet verdoppelte sich. Auch wenn Schaefer da schon seit sechs Monaten im Ruhestand war, zählt diese Gebietsvergrößerung zu seinen Verdiensten.
Auf den Tag genau zwanzig Jahre später, am 1. April 1928, verfolgte er von seinem Alterswohnsitz Darmstadt aus die Eingemeindungen von Sodingen, Holthausen und Börnig, die er bereits 1922 vorausgesehen hatte.
Geradezu visionär erscheinen seine Anmerkungen aus Anlass des 25. Geburtstages der Stadt Herne, in denen er der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass es in irgendeiner Form zu einer Wiedervereinigung von Wanne und Eickel, die noch zum alten Amt Herne gehörten, käme.
In Anerkennung seiner Verdienste wurde Hermann Schaefer 1907 Hernes erster Ehrenbürger. Er starb am 21. Oktober 1932 im Alter von 84 Jahren in Darmstadt.[2]