Amtsgericht Herne 1892 – 1921
Das königliche Amtsgericht war von 1892 – 1921 an der Bahnhofstraße beheimatet. Dann erfolge der Umzug zum neuerrichteten Amtsgerichtsgebäude am Herner Rathaus.
Das alte Amtsgerichtsgebäude erfuhr verschieden Nutzungen:
1929: Unterbringung des Katasteramtes Herne
1930: Unterbringung der Städt. Bücherei
1936: Unterbringung der SA-Standarte 457 Herne
1938: Unterbringung der Katasterämter Castrop-Rauxel & Wanne-Eickel
1945-1951: Sitz des brit. Stadtkommandanten
1946: Unterbringung des Wirtschaftsamtes
1948: Sitz der Bücherei des Deutschen Ostens
Schließlich erfolgte der Abriss und am 28.02.1973 eröffnete an gleicher Stelle das neuerbaute City-Center unter dem Motto „Hier soll der Kunde in erster Linie Mensch sein“.
Quellen
Stadtarchiv Herne:
Dokumentationsbibliothek: Sammlungen Amtsgericht, City Center
Postkartensammlung
Bericht Schaefer 1912 S. 45-47
[...] Bei Einführung des allgemeinen Landrechts in Preußen im Jahre 1794 endete die Zugehörigkeit von Herne zum Gerichtsbezirk Strünkede. [...] Mit dem Anschwellen der Bevölkerung von Herne wurde der Wunsch laut, ein Königliches Amtsgericht nach Herne zu bekommen [...] jedoch erfolglos gebliebene Schritte. [...] der Verfasser dieses Werkes (Hermann Schaefer), griff 1886 den gedanken wieder auf. Es stand zu erwarten, daß die Stadt Bochum Einspruch gegen die Herner Bestrebungen erheben würde, [...] Nun strebte damals Bochum [aber] an, Sitz eiens Landgerichts zu werden, zu dessen Bezirk auch Herne gehören sollte. Der Verfasser erklärte den maßgeblichen Personen in Bochum, er werde die dortigen Wünsche unterstützen unter der Bedingung, daß Bochum den Hernern keine Schwierigkeiten bereiten würde bei dem Streben nach errichtung eines Amtsgerichts in Herne. Man einigte sich auf dieser Grundlage. Beiderseits wurde die Verabredung durchgeführt. [...] Hervorragend freundliches Eingehen auf die Herner Wünsche zeigte Excellenz Falk[1], damaliger Chef=Präsident in Hamm. Er kam am 6. Juni 1887 persönlich nach Herne. Auf seinem Rat beschloß die Gemeinde-Vertretung dem Fiskus einen Bauplatz zur Verfügung zu stellen, das Gerichtsgebäude zu errichten und an den Fiskus zu verpachten. Der Justizminister verlangt demnächst weiterhin, daß Herne als Miete nur 4% für den Bau - ohne den Grundstückswert - fordern dürfte, auch die Ausbesserungskosten des Gebäudes tragen müsse und zwar dem Fiskus, nicht aber der Gemeinde, ein Kündigungsrecht zustehen solle. Die Gemeinde mußte sich nach Lage der Sache mit diesen Forderungen einverstanden erklären.
Nach längeren Verhandlungen wählte der Fiskus als Bauplatz dasjenige Grundstück an der Bahnhofstraße, auf welchem das jetzige Gerichtsgebäude steht.
Am 8. März 1889 erging ein Gesetz, nach welchem die Gemeinden Herne, Horsthausen, Baukau und Hiltrop des Amtes Herne, sowie Holsterhausen des Amtes Wanne (das Amt Eickel bestand damals noch nicht) zu einem Amtsgerichtsbezirk Herne vereinigt wurden, unter gleichzeitiger Abtretung vom Bezirk des Amtsgerichts Bochum. Dieses Gesetz bildete einen geichtigen Schritt vorwärts in der Entwicklung von Herne
Am 4. Juni 1889 ließ sich als erster Rechtsanwalt der jetzige Justizrat und Notrar Diekmann in Herne nieder.
Im Justizministerium wurde eine Bauplanskizze für das zu errichtende Gebäude entworfen und zur Weiterbearbeitung Bauinsprector Kiß und Regierungsbaumeister Bender bestimmt. es gelang beiden Beamten dem Wunsche von Herne nachzukommen und dem Gebäude ein besseres architektonisches Aussehen zu geben, als von Berlin aus vorgesehen war. Hingegen hatten die Herner Bestrebungen, das Gebäude größer und auch anbaufähiger zu gestalten, nur insofern Erfolg, als man die ursprünglich nur für 2 Richter vorgesehenen Räume so veränderte, daß sie 4 Richter aufnehmen konnte. Die Anbaufähigkeit blieb aber unberücksichtigt.
Die Gemeinde ließ nunmehr den "Gerichtskotten" in der ihr vorgeschriebenen Form herstellen. Durch Königliche Verordnung vom9. März 1892 wurde bestimmt, daß das Amtsgericht vom 1. Oktober 1892 in Tätigkeit zu treten habe.
Es geschah.
Die ersten Richter in Herne waren Amtsrichter Jost und Assessor Schmitz.
Der zu Lasten des Fiskus fallende Fehler, beim Bau die Zukunft nicht genügend ins Auge gefaßt zu haben, brachte schon nach 12 Jahren die Notwendigkeit zur Anmietung weiterer Amtsräume in einem Privathause und nötigt sogar jetzt schon zu einem vollständig neuen Gerichtsbau an anderer Stelle, nämlich in der Nähe des neuen Rathauses. Der Bau wird voraussichtlich 1914 begonnen und vom Fiskus vielleicht in solcher Abmessung vorgesehen werden, daß er auch dann noch genügt, wenn Herne sich nach Osten vergrößert.
Gegenwärtig (1912) amtieren am Herner Gericht 6 Amtsrichter, nämlich die Herren van Hengel (Aufsichtsführender), Plaß, Middelanis, Stahl, Jonas und Dr. Melcher.
[...] Nachdem 1910 (1. April) Hiltrop und Holsterhausen abgetrennt worden sind, besteht der Amtsgerichtsbezirk nur noch aus dem Stadthebiet Herne.
Manfred Hildebrandt 1988
Wer hätte nicht schon mal bei einem Stadtbummel seine Phantasie spielen lassen und darüber nachgedacht, was sich wohl hinter den Mauern jener Häuser abspielt, an denen man gerade vorbeispaziert. Der folgende Beitrag von Manfred Hildebrandt führt uns an die Bahnhofstr. 7c, wo früher einmal das Herner Amtsgericht stand. Zwar ist diese Justizbehörde längst ins Viertel am FriedrichEbertPlatz umgezogen, und das Gebäude selbst hat vor einigen Jahren dem CityCenter weichen müssen, aber die wechselvolle Geschichte des Hauses erschien uns so interessant, daß wir sie für die Bürgerillustrierte haben aufschreiben lassen. Den Älteren zur Erinnerung, den Jüngeren zur Kenntnis. Herne gehörte ursprünglich zum Gerichtsbezirk Strünkede. Durch Patent vom September 1814 war in Bochum das Stadt- und Landgericht eingerichtet worden, in dessen Amtsbezirk auch Herne lag. Von 1849 schließlich bis ins Jahr 1879 waren das Kreisgericht und das Amtsgericht Bochum für Herner Rechtsstreitigkeiten in erster Instanz zuständig. Mit dem „Gesetz, betreffend die Errichtung eines Amtsgerichts in Herne" vom 20. März 1889 wurde der Schlußpunkt unter jahrelange, zähe Verhandlungen gesetzt, die Hermann Schaefer, zu jener Zeit noch Amtmann in Herne, geführt hatte. Das vier Richtern als Amtssitz dienende Haus an der Bahnhofstraße wurde am 1. Oktober 1892 seiner Bestimmung übergeben. Amtsrichter August Jost und Assessor Schmitz waren die ersten Gerichts-Herren dieser neuen Instanz.
Platzmangel macht Neubau notwendig
Die Amtsgeschäfte liefen gut, und zwölf Jahre später bereits mußten aus Platzmangel weitere Räumlichkeiten in Privathäusern dazugemietet werden. Als sich herausstellte, daß man auf Dauer auch mit dieser Notlösung nicht leben konnte, trafen sich im Mai 1907 der inzwischen zum Ersten Bürgermeister avancierte Schaefer, Vertreter des Justizministeriums, des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und des Amtsgerichts mit dem Kreisbauinspektor, um über einen Neubau zu beraten. Inzwischen war nämlich klar geworden, daß wegen der geplanten Neuorganisation der Justizverwaltung und einer damit einhergehenden Erweiterung der Zuständigkeiten von Amtsgerichten auch mit einer deutlichen Stellenvermehrung zu rechnen war, und das vorhandene Gebäude endgültig aus allen Nähten platzen würde. Es sollte allerdings noch 14 Jahre dauern, bis die von Rathausbaumeister Wilhelm Kreis erbauten neuen Amtsräume am Bergelmannshof bezogen werden konnten.
Den Richtern folgt die Polizei
In das freigewordene Haus an der Bahnhofstraße 7c zog anschließend die Polizeiverwaltung ein. Für die Beamten baute man die ehemaligen Zellen zu Diensträumen um; im Kellergeschoß entstanden neue Zellen und Wachräume. Am 22. Juli 1922 konnte das Staats-Hochbauamt Dortmund dem Regierungspräsidenten Arnsberg berichten, daß die Umbauarbeiten erfolgreich abgeschlossen seien und „die noch auszuführenden Arbeiten das Gebäude nicht wesentlich verändern", sondern „wie die bereits ausgeführten Arbeiten einer Verbesserung der Gebäude" darstellten. Doch auch die Polizei blieb nicht lange Herr im Haus: Im Mai 1929 taten es die Polizeibeamten ihren Kollegen vom Amtsgericht gleich und zogen in einen Neubau am Behördenviertel.
Räume für die Bücherei
Nachdem der letzte Aktendeckel fortgeräumt war, stapelte die städtische Bücherei ihre Bücher in den Regalen. Seit 1912 fristete die Bücherei in den Kellerräumen des Rathauses ihr Dasein, und die Bibliothekare waren froh über den Ortswechsel, der sie samt ihren Folianten endlich ans Tageslicht brachte. Die Leser übrigens auch, wie der Herner Anzeiger einen Tag nach der Eröffnung am 15. Januar 1930 schrieb. Schon eine viertel Stunde vor Eröffnung hatte sich eine lange Schlange Lesehungriger gebildet, was die Zeitung als Beweis dafür wertete, „wie sehr die Bücherei einem Bedürfnis entspricht. Selbst von den entlegensten Grenzen der Stadt wird sie in Anspruch genommen..."
Töpferkunst im Amtsgericht
Einen Monat später erhielt die Bücherei Gesellschaft; in zwei Etagen mietete sich das städtische Museum mit seinen Sammlungen ein. Von Museumsleiter Karl Brandt inszenierte Sonderausstellungen zu Themen wie „Ruhrbesetzung" (1922/24), „Neuzeitliche Töpferkunst" (1936), „Nationaler Kitsch" (1936) sowie „Flachs und seine Bearbeitung in alter und neuer Zeit" (1936) lockten in den Folgejahren viele Besucher an. Daß das Museum im September 1938 dann doch ins Obergeschoß von Schloß Strünkede einzog, hatte neben der besseren Unterbringung einen weiteren, besonderen Grund. Unter Tagesordnungspunkt 8 hatte die Runde der Herner Dezernenten nämlich bereits zwei Jahre zuvor folgende Überlegung angestellt: „Die vier Zimmer im Haus Bahnhofstraße 7c sollen der SA Standarte 457 Herne zur Benutzung als Standartengeschäftszimmer zu einem Mietpreis von monatlich 50 RM überlassen werden...". Die Nazis hielten dann tatsächlich 1938 Einzug und machten das ehemalige Amtsgerichtsgebäude für acht Jahre zum Zentrum ihrer örtlichen Machtentfaltung. Als nunmehr sechster Mieter zog nach dem Zweiten Weltkrieg im Januar 1946 das städtische Wirtschaftsamt in die von den Nazis geräumten Räume ein. Zuvor allerdings waren wieder einmal einige Umbauarbeiten nötig, bevor in fünf großen Räumen die Arbeit aufgenommen werden konnte.
Ein Haus verschwindet
Als die ärgste Not gelindert war, kam im Februar 1950 wieder die Kultur zu ihrem Recht. Es zogen ein die Bücherei und zwei Monate später die 1948 gegründete Bücherei des deutschen Ostens. Doch auch deren Aufenthalt sollte nicht von Dauer sein. Neunzehn Jahre später, am 15. April 1969, vollzog sich der endgültig letzte Umzug an der Bahnhofstraße 7c. Die Herner Zeitung faßte es unter der Überschrift „Das alte Amtsgericht unter der Spitzhacke. Stadtsanierung hinterläßt kräftige Spuren" zusammen. Anstelle des Amtsgerichts wuchs das CityCenter in die Höhe. Damals hatte man mit Denkmalschutz eben noch nicht so viel im Sinn. Heute denkt man natürlich anders darüber und saniert längst behutsam und mit Augenmaß. Für das ehemalige Amtsgericht kommt diese Einsicht zu spät, und so erinnern nur noch leicht vergilbte Fotos in den städtischen Archiven an jenes Gebäude.