Herner Postgeschichte in fünf Perioden: Unterschied zwischen den Versionen
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<big><big>'''Herner Postgeschichte in fünf Perioden''' </big></big><br/> |
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<big>'''Nach postalischen und städtischen Unterlagen'''</big><br/> |
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'''Von Stadtarchivar Dietrich Hildebrand''' |
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Im jetzt zu Ende gehenden Jahr 1966 hat das Herner Hauptpostamt an der Ecke [[Freiligrathstraße]]/[[Poststraße]] einen Anbau erhalten. Das — und manches andere, das uns in dieser Zeit mit der Post in Berührung bringt, sei zum Anlaß genommen, einmal der Geschichte des Herner Postwesens nachzugehen, soweit noch vorhandene Akten und Nachweise das gestatten. Das Postwesen ist weder mit seinen Bauten, den Postämtern, aus dem Stadtbild wegzudenken, noch können Öffentlichkeit und Bürger ohne große Umstände auf seine Dienstleistungen verzichten. Der besseren Übersichtlichkeit halber sei hier die Herner Postgeschichte in fünf Zeitperioden aufgeteilt. Das entspricht, nicht ganz zufällig, dem Bestehen der nacheinander innegehabten Postämter. Die genannten fünf Zeitphasen sind aber nicht nur rein äußerliche und willkürliche, vielmehr kann man leicht feststellen, daß in jeder Periode — wenn auch nicht immer gleich im Anfang neue, wesentliche Entwicklungen sich vollzogen. |
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==I. Postkutschen verdrängen den Postboten== |
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'''Die Post in einem Privathaus am Altmarkt, dem späteren Haranni-Platz und jetzt Kraft-Messing-Platz''' <br/> |
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'''1830-1850'''<br/> |
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[[Datei:Altmarkt-Krafft-Messing-Platz-Herne-Festakt 1872.jpg|350px|thumb|Festakt auf dem Altmarkt bei Pflanzung einer Friedenslinde i. J. 1872.]] |
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Bis zum Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts war Bochum Ausgangspunkt aller Postsendungen für Herne. Ein Landzusteller brachte die Post auf dem Fußwege nach Herne. Am 9. Juni [[1835]] ist in den städtischen Archivakten erstmals von einem sogenannten Kommunalpostboten Tüsselmann die Rede, doch dieser beschränkte seine Tätigkeit darauf, Briefe, Geld und Pakete der Bürgermeisterei-Verwaltung Herne nach Bochum zu schaffen bzw. von dort zu holen. Im gleichen Jahr wurde jedoch auch für die Allgemeinheit etwas getan, indem die erste regelmäßige, nämlich tägliche Botenpostverbindung zwischen Herne und Bochum eingerichtet wurde. Sie bestand zunächst nur etwa ein Jahr und wurde um [[1850]] nochmals zweimal, allerdings kurzfristig, wieder aufgenommen). Aus dem folgenden Jahr [[1836]] ist uns ein Vertrag vorn 23. März erhalten, der sagt, daß nunmehr Georg Frie die Geschäfte des Kommunalpostboten wahrnimmt; dreimal wöchentlich hat er den Weg Herne—Bochum und natürlich zurück zu machen und erhält dafür eine Entschädigung von zehn Talern jährlich. Im Jahre 1836 geschieht allerdings der erste Einbruch in die Einrichtung der Botenpost: Auf der Strecke Bochum—Herne—Recklinghausen verkehrt eine Personenpost, also eine Kutsche mit Postillon, die zunächst auf dem Wege Hiltrop—Herner Mark, ab [[1842]] dann über die neuerbaute [[Bochumer Straße|Landstraße]] (Chaussee), neben Briefen und Paketen Personen befördert. Die Häufigkeit des Verkehrs schwankte in der Folgezeit. Bedeutsam ist das Jahr [[1840]]. Der mindestens seit 1835 den Ortszustellbereich Herne versorgende Conrad Cremer wird zum Postexpediteur ernannt und in seinem Hause am damaligen Altmarkt eine Postexpedition 2. Klasse eingerichtet. Außerdem wird an der Post der erste Herner Briefkasten angebracht. Inzwischen verkehrt die Personenpost Bochum—Herne—Recklinghausen zweimal täglich. Als Folge dieses stärkeren Personenverkehrs richtete man am 1. September [[1849]] eine beim Wirt Lobeck in der Nähe des Bahnhofs gemietete „Passagierstube" als Warteraum für die Fahrgäste der Postkutschen ein. Am 1. Mai des gleichen Jahres wurde von Seiten der Post nach Eröffnung der Köln-Mindener Strecke der Verkehr mit der Bahnpost aufgenommen. So schließt die erste Phase der Herner Postgeschichte mit der erfreulichen Bilanz einer für die damalige Zeit guten postalischen Nachrichtenverbindung nach allen vier Himmelsrichtungen. |
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Der Paketpostwagen. |
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Der alte Bahnhof Herne beherbergte auch die Postdienststellen. Vermutlich lagen die Diensträume hinter den beiden Fernstern der rechten Hälfte des Hauptgebäudes, bei denen auch der Briefkasten angebracht war. |
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Siehe: [[Herne - unsere Stadt - Mai 1966]] |
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==II. Beginn der Briefmarkenzeit== |
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'''Postamt bezieht Räume im damaligen Bahnhofsgebäude''' <br/> |
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'''1850-1868''' |
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Im zweiten Abschnitt der Herner Postgeschichte wird auch der Personenpostdienst laufend verbessert. Ab 1850 verkehrt auf der Strecke Langenberg Bochum—Herne und zurück täglich zweimal eine viersitzige zweispännige Postkutsche. Die wichtigste Neuerung dieses Jahres jedoch stellt die Einführung der ersten Briefmarken in Herne dar, die in den Werten von 1/2, 1, 2 und 3 Silbergroschen ausgegeben werden. Das dritte Ereignis im Jahre 1850 ist der Umzug der Post in Räume des Bahnhofsgebäudes, die sie für ihr Amt gemietet hat. Das Personal in der neuen Unterkunft setzt sich nun bereits aus sieben Mann zusammen, einem Vorsteher, einem Gehilfen, einem Postboten, 2 Landbriefträgern und 2 Paketträgern. Zwei Jahre danach wird der Name des Postexpedienten Neuburg genannt, als auf seinen Antrag am 1. März ein Briefkasten für Herne beschafft werden soll. Ab 15. November desselben Jahres ist auf der Langenberger Personenpoststrecke sogar eine sechssitzige Postkutsche eingesetzt. Im Zuge des verstärkten Personenpostverkehrs wird rund fünf Jahre später, am 1. November 1857, im Postamt Herne eine Station für Postfuhrwesen eingerichtet, die die Postkutschen zu stellen hat. Laut einer Nachricht vom 15. August 1862 beträgt jetzt die Beförderungsgebühr im Personenpostdienst 6 Sibergroschen pro Person und Meile. Bevor die zweite Phase der Herner Postgeschichte zu Ende geht, wird ab 25. Februar 1866 die Verkehrsgelegenheit auf der Postfahrstrecke Bochum—Herne—Recklinghausen auf täglich viermal verbessert, eine Entwicklung, die bis zum 1. Januar 1870 bestehen bleibt. Im übrigen wurde der Verkehrsturnus der Personenposten gemäß der jeweiligen Nachfrage, die wiederum von dem Personenverkehr auf der Eisenbahn abhing, geändert. |
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==III. Posthilfsstellen== |
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'''Dienst am angewachsenen Publikum Postamt bleibt in der Bahnhofstraße, jedoch Nr. 112'''<br/> |
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'''1868-1895''' <br/> |
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Mit dem industriellwirtschaftlichen Aufstieg in Herne wuchs auch die Bevölkerung und damit die Inanspruchnahme des Postdienstes durch sie. Solchen Anforderungen waren die alten Amtsräume nicht mehr gewachsen, und deshalb richtete sich das Postamt in größeren Räumen im alten Haus Meinhardt in der Bahnhofstraße 112, nicht weit vorn bisherigen Sitz, ein. Die größere Bedeutung des Herner Postamtes kam auch in seiner Bezeichnung zum Ausdruck Am 1. Juni 1870 wurde es Postexpedition 1. Klasse, nachdem es 30 Jahre lang eine solche 2. Klasse war. Genau ein Jahr danach, die Herner Bevölkerung betrug inzwischen rund 6000 Einwohner, wurde das Postamt mit der Benennung Postverwaltung belegt. Wenn etwas für die hier behandelte dritte Phase der Herner Postgeschichte typisch ist, so ist es das Eingehen der Personenposten und dafür der großzügige Ausbau des Nachrichtendienstes. Letzteres äußerte sich am 17. Dezember 1871 erstmals in der Bildung einer sogenannten Estafettenpost, einer Reitpost, deren Aufgabe es war, für eine schnellere Briefbeförderung von den Kurierzügen Berlin—Köln auf der Strecke Herne—Bochum zu sorgen; die seltsame Einrichtung bestand bis zum 15. Mai 1872. Am Neujahrstage dieses Jahres wurde das Berner Postamt wieder einmal umbenannt, und zwar in ein Postamt 2. Klasse; Vorsteher war seinerzeit ein Postmeister. Ein großer Schritt vorwärts wurde dann am 1. Dezember 1874 mit der erstmaligen Eröffnung einer Telegrafenstation mit beschränktem Tagesdienst in der Herner Postanstalt getan. Dagegen wurde 1875 die Personenpost Bochum Herne als Folge der Eröffnung der Eisenbahn Bochum—Riemke—Herne aufgehoben, gleichfalls am 1. September 1878 die Station für das Postfuhrwesen zu Herne, die damals übrigens nach Haltern verlegt wurde. Um der Verkehrssteigerung im Nachrichtendienst besser gerecht werden zu können, entschloß sich die Post 1880, für Herne Abholfächer einzurichten. Unter dem 25. November 1882 wird auch der damalige Postamtsvorsteher namentlich genannt, er hieß Trautmann. Wichtig ist nun das Jahr 1884, in dem nicht nur eine besondere Telegrafenbetriebsstelle errichtet wird, sondern auch zwei Posthilfsstellen: in Horsthausen beim Wirt Opphoff (später Wirt Köhlhoff) und in Sodingen beim Wirt Wiesmann. Damit war die Post auch wesentlich mehr publikumsnah geworden. Das folgende Jahr bringt dann noch die Aufnahme des Fernsprechverkehrs, |
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Der dunkle Eckbau links im Bild ist das von 1895 bis 1910 benutzte (zweite) Postamt an der Bahnhofstraße, Es schloß sich, wie auch erkennbar, an das damalige Bahnhofshotel, nachmals "Tante Anna", heute "Wienerwald" an. Auf dem Dach ist der Telegraphenkorb, das viereckige Gestänge mit der Vielzahl der Porzellanisolatoren für die hier an- und abgehenden Fernsprech- und Telegraphenleitungen zu erkennen. Sie führen von hier aus die Eisenbahnstrecke entlang. Heute liegt die Fabrikstraße auf der nördlichen und ein Teil des Bahndammes auf der südlichen Grundfläche des damaligen Gebäudes. Auf der Bahnhofstraße sind die Giebelfronten noch heute stehender Gebäude zu erkennen. |
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die erste Teilnehmersprechstelle wird Am 25. Februar 1898 fährt auf der In jenem Jahr 1885 koStrecke Herne—Recklinghausen der eingerichtet. — stet die Fahrt mit der Postkutsche von letzte private Pferdeomnibus, den die |
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Herne nach Recklinghausen ab 16. Januar nur 60 Pfennig, gut vier Jahre später, am 31. März 1889 verkehrt diese Postkutsche zum letzten Mal. Im gleichen Jahr entsteht wieder eine neue Posthilfsstelle, nämlich in Baukau. Der Kaufmann Schumacher verwaltet sie. Die Herner Einwohnerzahl war beträchtlich gestiegen., ca. 16 000 betrug sie 1890. Im folgenden Jahr bekommt noch Hiltrop eine Posthilfsstelle. Wiederum ein Jahr später — 1892 besteht das Postpersonal in Herne aus 18 Mann einschließlich des Vorstehers Postmeister Grothe; das zeigt gleichfalls deutlich, wie der Postverkehr sichtlich zunimmt. In diesen Rahmen gehört auch das am 1. Mai eröffnete eigene Postamt Sodingen, es hat nunmehr eigene Zustellung, vier Briefkästen und ist bei Wiesmann eingerichtet. Die Posthilfsstellen Hiltrop und Hiltroper Landwehr sind ihm zugeordnet, außerdem die Poststellen Börnig und Holthausen. Bevor das Jahr 1894 zu Ende geht, bekommt Herne am 15. Dezember ein eigenes Fernsprechvermittlungsamt. Zu diesem Zeitpunkt sind 66 Teilnehmerhauptanschlüsse und eine öffentliche Sprechstelle vorhanden. Hier kann man die dritte Periode der Herner Postgeschichte abschließen, denn schon am 4. April hatte die Oberpostdirektion, die zu jener Zeit in Arnsberg saß, mitgeteilt, daß nach der Entscheidung des Reichspostamte s das Grundstück Seher für ein neues Postamt in Aussicht genommen sei. |
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Das von 1868 bis 1895 benutzte alte Postgebäude an der Bahnhofstraße. Die Reproduktion aus einer alten Zeitung macht die grobe Rasterwiedergabe unvermeidlich. |
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==IV. Triumphzug des Telefons== |
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'''Postamt erneut in der Bahnhofstraße, jetzt aber Ecke Fabrikstraße''' <br/> |
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'''1895-1910''' <br/> |
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Am 1. Juli 1895 wird die Herner Postanstalt in das vom Kaufmann Otto Seher errichtete Mietpostgebäude verlegt, das neben dem Hotel „Tante Anna" lag. Das Haus wies die imposante Front von rund 27 Metern auf und reichte seinerzeit bis zur Mitte der heutigen Bahnunterführung. Seiner Bedeutung entsprechend wurde das Postamt ein Jahr später in ein Amt I. Klasse umgewandelt. Vorher war es bald ein Vierteljahrhundert lang ein solches II. Klasse. Noch im selben Jahr 1896 wurden unter seinem Postdirektor Martin in Herne selbst drei weitere Posthilfsstellen eingerichtet: in der Vödestraße 112 (Wirt Spieckermann.), in der Bergstraße (Schulte) und in der Kronenstraße (Klarholz). Außerdem wurde die Paketzustellung von dem Transport mit Handwagen auf den mit Fahrzeugen privater Unternehmer umgestellt. Erst der erste Weltkrieg hob diese Verbesserung wieder auf. Im nächsten Jahr erhält die Herner Post ihr erstes Fernsprechkabel, es ist das Jahr 1897, in dem Herne zur Stadt erhoben wurde. Mit der Personenbeförderung hat die Post nichts mehr zu tun: |
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Straßenbahn und später die Eisenbahn ablöst. Im letzten Jahr des 18. Jahrhunderts, in dem Herr Aschenbach als Postdirektor genannt wird, werden in Herne über 200 Fernsprechteilnehmer gezählt; zieht man zum Vergleich das erste und letzte Jahr der vierten Periode Herner Postgeschichte mit etwa 100 für 1895 und bald 1000 für 1910 heran, kann man ohne weiteres von einem Triumphzug des Telefons sprechen. Im zweiten Jahr des neuen Jahrhunderts, am 1. September 1902, wird das gemietete Postgebäude durch Kauf Reichseigentum. Einen weiteren Nachrichtendienst bietet die Herner Post auf einem ganz neuen Gebiet: Ab 1. Juli 1906 sind zwischen 11 und 12 Uhr an der Post die ab 21 Uhr geltenden Wettervorhersagen für einen Tag ausgehängt. Im Jahre 1907 trägt sich die Herner Post offenbar wieder mit Bauplänen, kauft sie doch ein Gelände an der Ecke Neu- und jetzigen Bebelstraße an. *überhaupt geschieht in diesen Jahren viel in Herne an Neubauten und auch an Umorganisation bei der Post. So kommen mit der Eingemeindung von Baukau und Horsthausen am 1. April 1908 die entsprechenden Hilfsannahmestellen der Post in Wegfall. Am 27. Juni desselben Jahres genehmigt das Reichspostamt das Anmieten des neu errichteten Postgebäudes Sodingen auf 15 Jahre gegen eine Zahlung von 2556 Mark im Jahr. In Herne sanktioniert der Magistrat den Tausch des noch heute im Besitz der Post befindlichen Grundstücks von 4350 qm gegen ihr altes von 4255 qm einschließlich der Bürgersteige. In diesem so ereignisreichen Jahr 1908 ist Herr Backofe Postdirektor. Im folgenden Jahr 1909 wird der erwähnte Tausch endgültig wirksam. Am 16. Februar wird er vom Bezirksausschuß der Regierung genehmigt, am 20. März wird der Vertrag selbst unterzeichnet, am 27. März wird er vom Reichskanzler genehmigt und am 10. April überträgt das Amtsgericht der Post ihr Eigentum. Inzwischen ist man in Sodingen so weit, am 4. Mai in dem von der Gemeinde errichteten Postgebäude in der Hermannstraße 6 (jetzt [[Eupener Straße]]) den Betrieb aufzunehmen. In Herne trägt auch die Stadtverwaltung ihren Teil zur Besserung der Postverhältnisse bei, indem der Magistrat am 3. Oktober 1909 die Bewilligung der Straßenbaukosten für die Hauptstraße an der Post bis zur Neustraße in Höhe von 24 000 Mark beantragt. Am Ende der vierten Periode Herner Postgeschichte machen sich Bestrebungen bemerkbar, den Postdienst im Herner Norden wieder besser zu gestalten; dabei wird hervorgehoben, daß nach einer Erhebung vom 18. Juli 1910 mehr als 20 000 Einwohner den nördlichen Stadtteil bevölkern und von den äußersten Enden im Nordwesten 3,6 km und im Nordosten 4,2 km Weg zur Post zurückzulegen haben. |
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Ein Archivbild. vom heutigen Hauptpostamt nach seiner Fertigstellung läßt nebenbei die Situation im heutigen Behördenviertel erkennen. — Die Steinbank rechts im Vordergrund ist erst in den letzten Wochen dem Straßenneubau nördlich des Rathauses zum Opfer gefallen. |
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Die Architekten-Zeichnung für das erste „Mietpostgebäude" in der Gemeinde Sodingen (Reproduktion aus den Bauakten). |
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==V. Post motorisiert Paketzustellung== |
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'''Post kommt an die Ecke Kaiser-Wilhelm-/Freiligrathstraße''' <br/> |
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'''1910''' <br/> |
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Aber zunächst einmal wird am 26. September 1910 das neue Postamt für Herne in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße (jetzigen Bebelstraße) bezogen. Es besitzt auch eine Schließfachanlage. Nach einer Besprechung des ersten Herner Bürgermeisters mit dem Reichspostamt wird die Oberpostdirektion Dortmund am 26. Oktober ermächtigt, wieder in Horsthausen und Baukau Postagenturen einzurichten. Schon am 2. Januar des folgenden Jahres 1911 treten sie als Postagentur Herne 2 (Baukau) und Herne 3 (Horsthausen) in Wirksamkeit. Gemäß Nachricht vom 19. November des gleichen Jahres verwaltet die erstere Agentur Schneidermeister Heinrich Paul, La-Roche-Str. 95, die andere Stellmachermeister Gustav Kreutzer, Ludwigstraße 37. Somit hatten die Bemühungen der Stadt für ihre Bevölkerung zu einem schönen Erfolge geführt. Als Postdirektor wird in diesem Jahr Herr Backofe erwähnt. Im nächsten Jahr 1912 ist ihm ein Direktor Mühlenhoff nachgefolgt. Von einer kleinen, aber für das Publikum praktischen Neuerung hören wir am 26. April 1915, als der Hemer Magistrat die Aufstellung eines Postwertzeichenautomaten vor dem Postgebäude genehmigt. Von ungleich größerer Bedeutung ist der 1. Januar 1923: An diesem. Tage beginnt die Hemer Post mit sieben Kraftfahrzeugen die Paketzustellung, die Bahnhofsfahrten und die Kraftgüterpost nach Recklinghausen-Süd zu motorisieren, d. h. zu modernisieren. Aber schon 22 Tage darauf muß das Publikum eine längere Unterbrechung einer wichtigen Nachrichtenverbindung hinnehmen: die Franzosen besetzen die Fernmeldestelle und die Telegrafie, ein Eingriff, der bis zum 6. November 1924 andauert. Auch Sodingen hat unter der Besetzung zu leiden. Postmeister ist dort 1924 Herr Grove. Zwei Jahre später wird ein neuer Postdirektor in Herne bekannt, er heißt Klissing. Weitere drei Jahre danach, die Eingemeindungsaktion im Ruhrgebiet hat Herne das Amt Sodingen zugeführt, wird am 1. Juli 1929 das Postamt Sodingen. Zweigpostamt von Herne. Am 10. Januar des folgenden Jahres erklärt sich der Magistrat mit der Aufstellung von Fernsprechhäuschen einverstanden, eins soll vor dem Amtshaus Sodingen stehen. Auch sonst versucht man berechtigten Wünschen des Sodinger Postpublikums nach Möglichkeit gerecht zu werden. So wird den Vorstellungen verschiedener Bürger, auch noch am späten Abend Briefe einliefern zu können, nachgegeben, indem eine Leerung eines Sodinger Briefkastens gegen 20.30 Uhr eingeführt wurde, die lange Zeit mit Dankbarkeit in Anspruch genommen und noch auf Bitten amtlicher und „halbamtlicher" Stellen dahin erweitert wurde, daß noch weitere am Wege des Spätleerungs-Wagens angebrachte Briefkästen in der Innenstadt in die Spätleerung einbezogen wurden. Am 3. September 1934 kündigt das Zweigpostamt Sodingen das bisher in der Eupener Straße 6 befindliche Amtsgebäude und wird noch am 1. Oktober nach der Mont-Cenis-Straße 243 verlegt. Nun wieder zurück nach Herne. Dort lautet 1934 die neue Adresse der Post infolge Umbenennung Hermann-Göring-Straße 10. Die Leitung hat Postamtmann Tubbesing inne . Im Jahre 1938 wird Postamtmann Loges in den Akten als Leiter aufgeführt. Weitgehend unbekannt geblieben ist es, daß im Ausgang des Krieges, Anfang April 1945, für die Hauptpost und das ganze Herner Behördenviertel höchste Gefahr bestand. Im Zuge der Verwirklichung des Befehls der „verbrannten Erde" sollte ein Kommando aus Bochum im wichtigsten Kabelschacht auf dem Posthof eine 20-Zentner-Bombe kurz vor dem Einrücken der Amerikaner zur Explosion bringen. Damit sollte vor allem für lange Zeit jede Fernsprechverbindung zerstört werden. Dem Amtsleiter gelang es zunächst, zu erreichen, daß lediglich eine 5-Zentner-Bombe eingesetzt wurde. Auch diese würde bei ihrer Explosion alle Fernsprechverbindungen zerstört haben und u. U. die Post und ihre nächste Umgegend schwer betroffen haben, Als die Zündschnur schon brannte stieg unter Gefahr für sein Leben hinter dem Rücken des Zerstörungskommandos der Telegraphenoberwerkmeister Hartmann in den Schacht und durchschnitt die Schnur. Als man sich anderntags aus Bochum nach der Auswirkung der Sprengung erkundigte, wurde von Herne angedeutet, daß man nicht mehr recht antworten könne, da feindliche Offiziere bereits im Amt seien. Der Dienstbetrieb stehe unter Kontrolle, was allerdings der Wahrheit zeitlich etwas vorgegriffen war. — Auf jeden Fall hat in diesem Fall die Post durch den persönlichen Einsatz verantwortungsvoller Männer die Stadt Herne vor Schäden von vermutlich jahrelanger Dauer und auch vor erheblicher baulicher Einbuße bewahrt. Noch kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges für unsere Stadt wird die Nordseite des Herner Postamtes von zwei Artilleriegeschossen beschädigt, es ist am 8. April 1945. Am nächsten Tage richten Granatsplitter Zerstörungen in der Schalterhalle an und am folgenden Tage ist die Post vom Feind besetzt. Doch diesmal — im Gegensatz zur Besetzung nach dem 1. Weltkrieg — dauert die Behinderung nicht lange an und endet bereits am 17. April. Allmählich kommt der Postdienst wieder in Gang, 1948 ist er in allen Dienstzweigen so gut wie voll aufgenommen. Im Jahre 1946 waren in Herne beispielsweise wieder 25 öffentliche Sprechstellen in Funktion. — Als Amtsleiter nach dem Kriege wird im Jahre 1950 Herr Oberpostmeister, später Postamtmann, Bense erwähnt. Um die damals ständig beanstandete schlechte Postverbindung nach und von Bochum unbürokratisch auf einfache Weise zu verbessern, veranlaßt der Vorsteher des Postamtes Herne nach einfachen persönlichen Verhandlungen, daß die Straßenbahn um 8 und 13 Uhr je einen verschlossenen Briefbeutel mit nach Bochum nimmt, die so noch zur Vor- bzw. Nachmittagszustellung zurechtkommen. Es ist überhaupt sein Bemühen,, besonders durch ständigen Kontakt mit Behörden, Firmen und Betrieben, diesen und allen Kunden die Dienstbereitschaft der Post zu beweisen und in einem ständigen persönlichen Einwirken auf alle mit der Kundschaft in Berührung kommenden Bediensteten seines Amtsbereichs echten Kundendienst und ein gutes Verhältnis zu den Bürgern der Stadt zu verwirklichen. Allenthalben macht sich so in den ersten Nachkriegsjahren nun bei der Post der Wiederaufbau sichtlich bemerkbar. In Sodingen zieht am 1. Januar 1954 das Postamt in einen Neubau auf dem alten Grundstück Mont-Cenis- |
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Straße 243, der mit Schließfächern und Fernsprechzellen allen Anforderungen gerecht werden kann. In Herne werden am 1. Oktober 1956 die alten „Tempo"-Kraftfahrzeuge durch solche der Typen DKW, Opel und VW ersetzt, insgesamt hat die Post einen Kfz-Park von 11 Kraftwagen und 2 Krafträdern. Im nächsten Jahr geht auch noch die Poststelle Herne 4 ein und wird am 1. März 1957 durch ein richtiges Zweigpostamt (am Bahnhof gelegen) im Erdgeschoß eines Bundesbahngebäudes ersetzt. Als weiterer Kundendienst wird 1958 im Haupteingang der Post ein großer elektrischer Wertzeichengeber und Münzwechsler aufgestellt und am 1. Juli 1959 am Nachtschalter, Eingang Freiligrathstraße, eine Fernsprechzelle installiert. Die Leitung des Herner Postamtes hat in jenem Jahr Herr Postamtmann Larsch, der dankenswerterweise postalische Unterlagen für diese Arbeit zur Verfügung gestellt hat. - Damit bin ich am Ende meines Aufsatzes. Der Schluß der fünften Periode der Herner Postgeschichte, der sich wohl nach der Dauer des derzeitig benutzten Postgebäudes richten müßte, ist noch nicht abzusehen. Eine abschließende Darstellung dieser bisher letzten Phase des Herner Postwesens - mit dem notwendigen historischen Abstand - muß deshalb der Zukunft überlassen bleiben. |
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Die Zahlen für Briefkästen und Briefmarkenverkaufsstellen beziehen sich auf den Orts- u n d Landzustellbereich, welch letzterer 1840 z. B. Baukau, Bergen, Bickern, Crange, Crangerheide, Gysenberg, Hiltrop, Hiltroper Landwehr, Holsterhausen, Horsthausen, Sodingen, Dorneburg, Langenkamp, Pöppinghausen, Horst-Emscher und Wanne, Gemeinde Bickern, ausmachte. <br/> |
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Einige Zahlen zur Herner Postgeschichte |
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{| {{table}} |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Abholer''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Beamte der Post''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Briefkästen''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Fernspr.-Anschl.''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Briefmarken-Verkaufsstellen''' |
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| align="center" style="background:#f0f0f0;"|'''Zustellungen (Briefe)''' |
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| 1840||||||1|||||| |
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| 1850||||7|||||||| |
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|- |
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| 1876||||||10||||10|| |
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|- |
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| 1880||||12|||||||| |
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|- |
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| 1885||||||||6|||| |
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|- |
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| 1887||76||||||||||3 |
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|- |
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| 1889||||||15||||15|| |
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|- |
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| 1890||||16||||11|||| |
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|- |
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| 1892||||18|||||||| |
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|- |
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| 1894||81||||25||66||10||4 |
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|- |
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| 1897||||||||177||15|| |
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|- |
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| 1898||||||||206||15|| |
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|- |
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| 1899||92||||24||228||14||4 |
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|- |
|||
| 1900||||51||||222|||| |
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|- |
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| 1901||||||25||193||14|| |
|||
|- |
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| 1902||||||28||246||15|| |
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|- |
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| 1903||||||31||303||23|| |
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|- |
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| 1904||||||33||424||23|| |
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|- |
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| 1905||||||34||507||23|| |
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|- |
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| 1906||||||35||578||25|| |
|||
|- |
|||
| 1907||||||36||700||26|| |
|||
|- |
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| 1908||||||47||841||23|| |
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|- |
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| 1909||||||||963|||| |
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|- |
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| 1910||80 Schließfächer||125|||||||| |
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|- |
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| 1920||||||||1207|||| |
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|- |
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| 1921||||210||||1689|||| |
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|- |
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| 1946|||||||||||| |
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|- |
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Ein Bild unserer Hauptpost aus den letzten Wochen. (Es ist auch schon „historisch", da sich das Gebäude im Umbau befindet.) |
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==Quellennachweis:== |
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===Archivalien:=== |
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*Stadtarchiv Herne: |
|||
**L 1844 Gemeindeprotokolle Herne, Bl. 98 |
|||
**h 001 Magistratsprotokolle Herne, |
|||
***1905, Bl. 98 |
|||
***1908, Bl. 103, 326 |
|||
***1910, BI, 8, C6 |
|||
***1913, Dl. 365 |
|||
***1930, Dl. 3 |
|||
***1933, 131. 90 111/135, 131. 11., 14., *Kommunalpostboten, ab 1835 |
|||
*IV/86, Bau neuer Post, 1888-1894 |
|||
*1V/267, Bl. 108, Postbeamte Herne, 1882 |
|||
*VII/30, BI. 254, Postamt Sodingen, 1925 |
|||
*VII/157, Teil 2, dto., 1905-1923 |
|||
*10/50/15 II, Post- u. Verkehrsang. 1897-1920 |
|||
*10/55/25 11/2, Postverhältn. Herne-Süd, 1910 |
|||
*6 A 73, Errichtung Postamt Bhf, 1912-1916 |
|||
===Literatur=== |
|||
Stadtarchiv Herne: |
|||
*L 8750, S. 79, Dransfeld: Geschichte der ev. Gemeinde Herne, 1875 |
|||
*L 9011, 1897, 5. 30, Verwaltungsberichte Herne, 1897-1909 1900, S. 16, |
|||
**Verwaltungsbericht Herne 1901, S. 33, |
|||
**Verwaltungsbericht Herne 1903, S. 41, |
|||
**Verwaltungsbericht Herne 1906, S. 35, |
|||
**Verwaltungsbericht Herne |
|||
*L 9121, S. 37, Schaefer: Die Geschichte von Herne, 1912 |
|||
*L 9220, S. 26, Zusammengef. Verwaltungsbericht 1897-1922 |
|||
*„[[Herner Anzeiger]]" vorn 11. 1. 1936 |
|||
*„[[Herner Zeitung]]" vom 18. 12. 1942 |
|||
===Manuskripte=== |
|||
*Postamt Herne 1: Gatz: „50 Jahre Postamtsgebäude in Herne" und „Das Herner Postwesen im 19, Jahrhundert", 1960. |
|||
[[Kategorie:Post]] |
[[Kategorie:Post]] |
||
[[Kategorie:Artikel]] |
|||
[[Kategorie:Herne]] |
|||
