Standrede der Charlotte von Pallandt 1816 Mai 18

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Standrede

am
Grabe der am 18ten Mai 1816 verstorbenen verwittweten
Freyfrau Charlotte von Pallandt,
geborne Freyinn von Strünkede,
gehalten
am 21ten Mai 1816
zu Strünkede

von
Friedrich Küper,
Prediger zu Castrop und Hausrediger zu Strünkede.



Den trauernden Töchtern der Verewigten, namlich
der verwittweten Freyfrau Wilhelmine von Mullardt,
der Frau Majorin Auguste von Kellner,
der Frau Steuereinnehmerin Amalie von Forell,
der Frau Rittmeisterin Karoline von Forell,
der Freyfäulein Charlotte von Pallandt
als ein geringes Denkmahl der Tugenden der treuen Mutter mit der aufrichtigsten Hochachtung und Ergebenheit gewidmet

von dem Verfasser.

Dem Herrn über Leben und Tod, er uns Sterbliche in`s irdische Daseyn ruft, uns aber auch für die höhere Welt des Friedens und der Vollkommenheit, wenn wir hienieden den Weg der Wahrheit und Tugend wandeln, durch den Tod geboren werden läßt, sey an diesem Grabe Anbetung und Dank und demüthige Unterwerfung unter seinen Willen von uns Allen, dargebracht. Amen!


Wer unter uns, m. th. A., steht nicht mit gerührter und reinster Seele am Grabe sieser in Frieden entschlafenen Christin?
Diese Augenblicke sollen der Todtenfeyer der Freyfrau Charlotte von Pallandt, geb. Freyinn von Strünkede, aus dem Hause Crudenburg, gewidmet seyn. Dem Geiste aller Geister hat es gefallen, Sie am 18ten May aus dem Leben der Prüfung in das Leben der Vergeltung abzurufen. Os Sie gleich bereits da 76ste Lebensjahr erreicht hatte, starb sie Vollendete dennoch dennoch den Wünschen ihrer geliebten und liebenden Kinder, starb Sie uns allen noch zu früh, und nur in dem Gedanken, daß der Rathschluß des Ewigen üüberuns Menschen allezeit Weisheit und Liebe ist, finden die Trauernden Trost. – Mit dem Biedermanne, dessen Grab an dieser Stätte kaum zum zweyten Mahle der Frühling begrüßt, lebte Sie 48 Jahre in ehelicher Verbindung. Zehn Kinder, wovon 4 Söhne und 1 Tochter nur für die höhere, unsichtbare Welt geboren wurden, waren die Frucht dieser Ehe. Fünf Töchter schauen aus dem niederen Thale der Erbe der Verklärten in das Vaterland, das droben ist, obgleich tief trauernd, doch fröhlich dankbar und gottergeben nach. – Sie verließ ihre Kinder auf Erden und eilte zu denen, die ihr vorangingen. Und hier an dieser Seite ihres Gatten, hier in der Nähe ihres Hauses, in dem Sie 28 Jahre unter Freuden und leiden in stiller Häuslichkeit als treue Gattin und Mutter verlebte, soll ihre entseelte Hülle bis zur frühlichen Auerstehung schlummern.
Nur selten wird dem Lehrer der Religion das Glück zu Theil, mit voller Ueberzeugung an den Gräbern das Lob der Verstorbenen sprechen zu können. Abr wenn ich von den Tugenden dieser Vollendeten rede, dann darf ich nicht fürchten, in den vberdacht der Schmeicheley zu verfallen. Hier ist es vielmehr Pflicht, die Züge ihres liebens- und achtungswürdigen Characters als ermunternde Beyspiele für die Lebenden laut zu verkündigen und darauf aufmerksam zu machen, daß nur ein Leben, dem Glauben und der Tugend geweiht, wie das ihre, zum wahren Frieden führen könne.
Auf die Verklärte können wir den Ausspruch des Phropheten Jesaias im 45sten Kap. im 2ten Verse mit Wahrheit anwenden:

Die richtig für sich gewandelt haben, kommen zum Frieden.

Die Vollendete wandelte richtig den Pfad ihres irdischen Lebens bis an`s Ziel.
Sie hat ihren Umgebungen, sie hat uns Allen das Muster einer erleuchteten Frömmigkeit gegeben. Fern auf der einen Seite vom Aberglauben und Scheinheiligkeit, und auf der anderen von Gleichgültigkeit gegen as Heilige und von verachtung des Höchsten, worin unzählige Thoren der gebildeten höheren Stände in der zuletzt verflossenen irreligiösen Zeit ihren uhm suchten, blieb ihr Herz erfüllt mit Ehrfurcht für Gott, mit Liebe zu dem Heiligen und Göttlichen, der durch seinen Tod auf Golgatha sein Werk krönte und vollendete; mit inniger Anhänglichkeit an seine erhabene; zur Tugend stärkende und in allen Lagen des Lebens tröstende Lehre, so wie auch mit Schätzung und zweckmäßiger Benutzung aller der Mittel, die den religiösen Sinn im Menschen stärken und lebendig erhalten sollen und können.
Diese Religiosität war die Grundlage und die fruchtbare quelle aller ihrer übrigen Tugenden: ihrer stillen Häuslichkeit, ihrer treuen ehelichen Liebe, ihrer geduld bey menschlichen Schwachheiten, ihrer zärtlichen Liebe zu ihren Kindern, ihrer Sanftmuth und Herzensgüte, ihrer heiteren Stimmung in Tagen des Glücks und der Freude, und ihrer ruhigen rgebung in Tagen der Sorge und des Kummers, der Angst und der Noth. Der verborgene Mensch des herzens, mit unverrückt sanftem und stillem Geiste, der köstlich vor Gott und Mensch ist, war der herrliche Schmuck ihres weiblichen Characters und ein höherer Adel ihres Herzens, den Sie dem Adel ihrer irdischen Geburt hinzufügte. Sie war ausgerüstet mit viel Klugheit des Lebens; aber die einzige Weisheit, den herrn zu fürchten, in allen verhältnissen des Lebens, so wet es die Schachheit des sinnlich-geistigen Mensche gestattet, den Weg seiner Gebote zu wandeln, das war ihr Hauptbesteben, dem Sie alle Klugheit, die ohne jene weisheit nur Thorheit ist, unterzuordnen suchte. Sie hat richtig vor sich gewandelt.
Und deswegen kam sie zum Frieden; zum Frieden im Leben, - zum Frieden im Tode, - zum ewigen Frieden.
ein richtiger Wandel, ein frommer Sinn und eine ungeheuchelte Tugend macht das Gemüth heiter und fröhlich, ruhig und getrost. In einer frommern Seele toben keine unruhigen martervollen Leidenschaften, die das Leben verbittern, alle kindliche Zuversicht zu dem vater im Himmel rauben und dad gewissen zur Hölle machen. weil das Herz die Seele nicht verdammt, so hat die Freudigkeit zu Gott. die Annehmlichkeiten des Lebens werden ihr doppelt schmackhaft, weil sie darin Wohlthaten des himmlischen Vaters sieht, und den Vorgeschmack größerer Seligkeiten empfindet, die Gott bereitet hat denen, die in lieben. Und kommen Leiden über eine solche Seele, verwandelt sich die Freude in Trauer und Klage: so ist ihr zwar bange, sie empfindet den Schmerz nicht als Vergnügen; aber sie verzagt nicht. Sie sieht der herben chicksale des Lebens als Prüfungen an, die in der Gottes- und Menschenliebe, in der geduld, im vertrauen auf Gott, in der demuth und Sanftmuth und in Allem, was den Menschen seiner Prüfungen, die nicht immer währen, sondern zur rechten zeit enden; als eine Thränenaussaat auf dem Felde der Tugend, die früher oder später eine herrliche Freudenernte bereitet.
Diese allgemeinen Wahrheiten bedürfen kaum einer näheren Anwendung auf diese entschlafene Christin.
Sie gelangte zum Friden im Leben.
Ihr Alle kennt die Heiterkeit ihres Gemüths, den Frieden ihrer Seele, die bis zu ihrem Todestage sie nicht verließen. Es war ihr reines Herz, ihr gewissenhafter Wandel, es war die Herrschaft, die Sie über ihre Leidenschaften erkämpft hatte, die diesen Frieden der Seele ihr das Leben bereiteten. O, mit welchem stillen Dank gegen Gott war Sie heiter und fröhlich an glücklichen Tagen, wenn Freundschaft und Liebe den Familienkreis erheiterte, wenn hoffnungsvolle Kinder und Enkel ihr geboren wurden, wenn Sie ihre Kinder versorgt sah, wenn irgend ein glückliches Ereigniß ihres Hauses oder ihres Vaterlandes die ruhig fröhliche Stimmung ihres Herzens zu einer festlichen Freude erhob! Aber auch, wenn sie den Kelch bitterer leiden schmecken mußte – denn dieser wurde ihr oft gereicht – wenn Menschen ihr Leiden bereiteten, wenn sie am Kranken- oder Sterbebette nahe mit ihr verbundener theurer geliebter Personen stand, wenn der Tod werthe Glieder aus der Familienkette löste – wenn Wunden, die die frevelnde Ungerechtigkeit dem Vaterlande schlug, auch ihr patriotisches Herz in Trauer versenkten: so verlor Sie dennoch nie den Frieden ihrer Seele. Ihr erleuchteter Glaube überwand die Welt. Tage der Noth und der Trübsale sahe Sie als harte, aber nothwendige Bildungsmittel für den einzelnen Menschen und für die Völker an, und den Tod als den Uebergang in das Reich größerer Vollkommenheit.
Darf es uns Wunder nehmen, daß bey diesem Glauben Sie bey der Annäherung ihres eigenen Todes den friden behielt? Als die Verewigte am letzten Osterfeste das gedächtniß des Todes Jesu feyerte, da schienen mir ihre gerührten Blicke auf die theuren Töchter und Schwiegersöhne, die zu dieser Festfeyer sich bey ihr versammelt hatten, gleichsam zu sagen: mich hat herzlich verlangt, diesmahl mit euch zu genießen, ehe denn ich scheide. Die wenigen nun folgenden Tage waren die letzten Abendstunden ihres lebens. – Sie wußte selbst, das ihr Tod ganz nahe war, aber mit ruhiger Seele sahe sie ihm entgegen. er war ihr keine Schreckgestalt, sondern ein freundlicher Engel Gottes, der der hinfälligen Hülle den unsterblichen geist entreissen und ihn zu Gott hinüber führen sollte. Ihr Ende war, nach zwölfstündigem Kampfe, ein sanftes Entschlummern, wie der müde Wanderer, der des Tages Last getragen hat, ruhig dem ....

Siehe auch


Quellen