Schwestern in der schweren Stunde einer Frau

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Von Dietrich Hildebrand


Schwestern in der schweren Stunde einer Frau
Versuch zu einer Historie der Herner Hebammen -
aus Unterlagen des Stadtarchivs

Der Beruf der Hebamme ist zweifellos ein echter, ein typischer Frauenberuf, dazu, wenn man so sagen darf, ein "Frauenberuf mit Vergangenheit". In Herne ist er in den Akten des Herner Stadtarchivs bis zum Jahre 1809 zurückzuverfolgen. Demnach sind unsere Hebammen wohl die ersten Frauen, die im damaligen Dorf Herne wichtige Aufgaben im Dienste der Allgemeinheit erfüllt haben. - So wird es fast überall gewesen sein. Erst im Laufe der Zeit sind dann Frauen und Mädchen auch in vielen anderen Berufen tätig geworden und haben sich darin bewährt.


Hebamme bedeutet nicht Hebe-Amme!

Das heutige Wort mag zu einer falschen Deutung verleiten, aber bei einiger Überlegung wird klar, dass die Hebamme die aus der zweiten Hälfte ihrer Berufsbezeichnung irrtümlich ableitbare Funktion gar nicht erfüllt. Das Wort "Hebamme" leitet sich vielmehr vom althochdeutschen "hev(i)anna" ab und bedeutet so viel wie Hebe-Ahnin, womit ihrer Hilfe eine ehrende Anerkennung in Form eben dieser Bezeichnung Hebamme zuteilwurde. Erst als die ursprüngliche Bedeutung verblasste, kam durch den Gleichklangeine falsche Deutung auf, nämlich "Hebamme“. Ab 1934 findet sich, nicht zu Unrecht, allenthalben und auch in unserer Ortsliteratur dann die Bezeichnung "Hebammenschwestern". - Und wenn sie in ihrem Beruf wirklich aufgehen, sind sie dann nicht tatsächlich "Schwestern" in der schweren Stunde einer Frau?

Der Hebammen Haupt- und Nebenaufgaben.

Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die Hebamme einen verantwortungsvollen Dienst für die menschliche Gemeinschaft ausübt. Deshalb wurden die Angehörigen eines Berufes schon im Jahre 1811, als Herne unter der Napoleonischen Herrschaft eine "Mairie" war, durch einen besonderen Eid verpflichtet. Dieser soll hier wiedergegeben werden, da er gleichzeitig die wesentlichen Aufgaben der Hebamme enthält:

"Ich, Hebamme in der Mairie Herne, schwöre zu Gott dem Allmächtigen einen leiblichen Eid, dass ich alles und jedes, was einer rechtschaffenen Hebamme zu tun obliegt, nach meinem besten Wissen redlich und gewissenhaft beobachten, insbesondere aber keine Gebärende in und nach der Entbindung verabsäumen und bei widernatürlichen und schweren Geburten zeitig einen Geburtshelfer zu Hilfe rufen, mich auch überhaupt bei der Ausübung meiner Kunst so verhalten will, wie ich es gegen Gott, die Obrigkeit und jedermann mit gutem Gewissen verantworten mag, so wahr mir Gott helfe, durch Jesum Christum seinen Sohn, zur Seligkeit, Amen!"

Aus einer "Taxe" von 1815 geht des Weiteren hervor, dass die Hebamme damals zuweilen verschiedene einfache medizinische Verrichtungen machen durfte, wozu z. B. das Setzen von Blutegeln, Schröpfköpfen und Klistieren gehörte. Besonders wichtig war dem Staat gegebenenfalls aber die Anwesenheit eines Geburtshelfers, das heißt des Facharztes. So bestimmte er doch im § 201 des Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten vom 14. April 1851; dass Hebammen, die bei schweren Fällen keinen Geburtshelfer herbeirufen, mit einer Buße bis zu 50 Talern oder 3 Monaten Gefängnis zu bestrafen seien. Um nach der Art der Arbeit einer Hebamme nun auch eine Vorstellung vom Umfang ihrer Tätigkeit zu geben, einige Zahlen der jüngsten Zeit, so aus der Nachkriegszeit: Im Jahre 1948 leisteten die Angehörigen des Hebammen-Standes bei 1466 Geburten bzw. Fehlgeburten Beistand. Für das Jahr darauf lautete für den Stadtkreis Herne die entsprechende statistische Zahl 1638. Noch für 1954 las man: "... außer den Ärzten haben nur Hebammen das Recht zum geburtshilflichen Beistand, d. h. Beratung während der Schwangerschaft, Hilfe bei der Entbindung sowie Pflege von Mutter und Kind in den ersten Tagen des Wochenbettes".

Neben diesen wesentlichen Aufgaben gehören bzw. gehörten manche anderen, eng verwandte zum Bereich der Hebamme. In älteren Zeiten, so wird es 1927 in der Heimatliteratur berichtet, beauftragte man die Hebamme auch gern damit, auf den Bauernhöfen zur Kindtaufe zu bitten. Entsprang dieser Brauch privater Sphäre, so war ein anderer durchaus rechtlicher Natur: In einem Gesetz von 1874 wurde die Hebamme verpflichtet, nächst dem Kindesvater eine Geburt innerhalb einer Woche, eine Totgeburt am nächsten Tage dem Standesbeamten anzuzeigen. Das Maß an Pflichtgefühl, das seit je von einer Hebamme verlangt wird, gewinnt an Gewicht, wenn man weiß, dass Geburten vielfach nachts erfolgen. Stets muss da die "Hebe-Ahnin" dienstbereit sein, um zu ihrem Teil am Erscheinen eines neuen Erdenbürgers mitzuwirken. Lange vor der allgemeinen Üblichkeit auch der alten Formen der Hausklingeln waren daher schon in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts außen an den Häusern, in denen Hebammen wohnten, Zugglocken zu deren Wohnung angebracht, mit denen man sie direkt alarmieren konnte. - Dass diese Anlagen immer leicht die Jugendlichen reizte, sie im Vorbeigehen zu betätigen, sei nur am Rande erwähnt, -.“ und auch mancher Herner wird sich daran erinnern.

Der Wunsch der Wöchnerinnen gilt. (Der Weg zum Hebammenberuf)

Wir wollen nun einen Blick zurück in die Vergangenheit tun, um zu sehen, wie früher eine Frau, die Hebamme werden wollte, den Weg in diesen Beruf finden konnte. Im Herner Stadtarchiv ist noch ein entsprechender Vorgang vorhanden. Er spielt im Jahre 1831. Im angezogenen Falle wurden die "Wahlberechtigten" am 30. Mai 1831 zur Wahl vorgeladen. Diese sollte am 11. Juni um 14 Uhr stattfinden. Das Wahllokal war beim Wirt Fleigenschmidt zu Herne, das damals Sitz der Bürgermeisterei gleichen Namens war. Zwei Tage später meldete der Bürgermeister dann der landrätlichen Behörde, dass die Wahl der elf anwesenden Ehefrauen durch Stimmenmehrheit auf eine Frau Köster gefallen sei, die sich unter anderen Bewerberinnen um die frei gewordene Stelle als Hebamme für Herne, Hiltrop und Baukau einschließlich Strünkede bemüht hatte. Nach einer weiteren Woche traf das Einverständnis des Landrats ein, die Gewählte zu einem Lehrkursus zu schicken. Zwei Tage darauf wurde der Gewählten ihre Wahl zur "Lehrtochter" eröffnet, vorbehaltlich der eigentlich vorher einzuholenden Genehmigung der Regierung zur Wiederbesetzung der Stelle.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vielleicht, dass noch 1877 die Gemeinde Herne außer wegen der für die Kommune entstehenden Auslagen die Anstellung einer Bezirkshebamme ablehnte, weil es der Wunsch der Wöchnerinnen wäre, eine Hebamme wählen zu können.

Vom Verein zur "Fachschaft".

Waren die Hebammen bisher Objekte von behördlichen Bestimmungen oder wohlmeinenden Wahlhandlungen gewesen, so lässt sich mit dem Heraufziehen des neuen Jahrhunderts ein Erwachen zu einem gewissen subjektiven Bewusstsein registrieren. Im November 1895 war es, als der hiesige Hebammenverein gegründet wurde, im vorvorletzten Jahr des Bestehens des früheren Amtes Herne. Die verdienstvollen Gründerinnen des Vereins waren - in der Reihenfolge auf der Liste des Hebammenvereins - Frau Wittkämper und Frau Frackmann (Schwestern), Frau Post, Frau Göckner, Frau Ostermann. Im Jahre 1934 wurde aus dem Verein eine Fachschaft, Leiterin der Ortsfachschaft war damals Frau Krone. Jetzt leitet den wieder bestehenden Verein Frau KüchIer, durch deren Hilfe übrigens das Gründungsdatum ermittelt werden konnte. In den Archivalien der Stadt Herne wird der Hebammenverein erstmals 1909 erwähnt.

Ausbildung durch Ärzte.

Wendet man den Blick vom Organisatorischen zum Fachlichen zurück, so fällt auf, dass die Aneignung allen erforderlichen Fähigkeiten durch die Hebammen frühzeitig sehr ernst genommen worden ist. Ärzte vermittelten den Hebammen das entsprechende Wissen und Können. Akten aus der Zeit zwischen 1810 und 1834 nennen ihre Namen. Für Herne und seine Nachbarschaft sind als offenbar zuständig nachweisbarfolgende Ärzte:

Im Jahre 1781 Dr. med. Kirchhoff, Hamm;
im Jahre 1806 Dr. med. Schwartz, Hattingen;
im Jahre 1809 "Medicinal-Rath" Krap, Dortmund;
Im Jahre 1818 Dr. med. Ruhfuch, Dortmund (für das [ehemalige] Wanne-Eickel);
im Jahre 1831 Dr. med. Flügel, Bochum (auch für Herne zuständig).

Nach der Dienstanweisung für Medizinalkollegien von 1817 wird die Prüfung der Hebammen bei den Regierungen oder in ihrem Auftrag von den Hebammenlehrern besorgt. Damit ist die gesetzliche Grundlage für deren Wirken aufgezeigt. In Westfalen gab es 1831 das Königliche Hebammen-Institut in Meschede, dortiger Lehrer war Dr. med. Pulte, der seine Schülerinnen - die künftigen Hebammen - mittels eines "Aufnahmeattestes" einberief. Die Ausbildungskostentrug, jedenfalls 1868, die Gemeinde, aus der die Hebamme kam, doch nicht immer. Im Jahre 1908 lehnte der Herner Magistrat die Kostenerstattung von 40 Mark ab, als drei Herner Hebammen einmal wegen unzulänglicher Kenntnisse bei der Prüfung in Bochum einen Wiederholungskursus machen mussten. Der Magistrat argumentierte damals, diese Hebammen seien so gestellt, dass sie die Kosten selbst tragen könnten. Außer der sogenannten physischen Qualifikation (körperliche Eignung) wurde von der Hebamme seinerzeit auch eine moralische verlangt. Aus einem speziellen Fall im Jahre 1831 ist bekannt, dass das Sittenzeugnis entweder vom Arzt oder auch vom Pfarrer ausgestellt worden ist.

Im Jahre 1954 - um auf die neuere Zeit einzugehen - geschah die Ausbildung der Hebammen in Hebammenlehranstalten in Eineinhalbjährigen, die Weiterbildung in zusätzlichen Fortbildungslehrgängen. Der neueste Stand ist so, dass die Hebammen alle fünf Jahre einen Fortbildungskursus mitzumachen haben und sich alle 2 Jahre einer Nachprüfung unterziehen Müssen.

Sicherheit vor Gefahren - Überwachung der Hebammen

Verständlicherweise ist die gründliche Vorbereitung der Hebammen auf ihren Beruf nur bei einer ständigen Überwachung in den Jahren der eigentlichen Berufsausbildungsinnvoll. Das aber war schon sehr früh gewährleistet. Nach den mir zugänglichen Unterlagen ließ sich bereits für das Jahr 1781 eine Überwachung durch Forderung sowohl eines Examens als auch einer Approbation belegen. In hiesigen Akten war zum Beispiel 1797 diese Kontrollinstanz das "Collegium Medicum" in Hamm, 1810 - zur Zeit der französischen Ära - war es der "Departementsphysicus" (= Departementsarzt) Dr. Ebermaier in Dortmund. Die damalige Beurteilung von drei Hebammen in der Munizipalität (oder Mairie) Herne ergab, dass ihre "Conduite" (= Betragen) ohne Klage wäre.

In einem Gesetz von 1811 heißt es wiederum, dass Hebammen den Gewerbeschein nur auf einen Erlaubnisschein des Kreisphysikus hin erhalten dürfen. Auch die Vereidigung der Hebammen ist, wie aus einer Aktenstelle von 1831 ersichtlich, zu dieser Zeit immer noch üblich. Im Jahre 1845 müssen sich Hebammen durch ein Befähigungszeugnis der Regierung ausweisen. Das betreffende Gesetz jenes Jahres enthält auch die Prüfungsbestimmungen. Ein Gesetz von 1861 spricht von der Möglichkeit einer Zurücknahme der Hebammenkonzession, wenn die Regierung eine Unrichtigkeit ihrer Nachweise oder einen sonstigen triftigen in der Person der Hebamme bzw. ihrem persönlichen Verhalten liegenden Grund feststellt.

Mit einem Gesetz aus dem Jahr 1899 wird die Aufsichtführung über das Hebammenwesen dann dem Kreisarzt übertragen. Im Jahre 1905 beschließt der Herner Magistrat, dass einer Hebamme die Gewerbeausübung wegen möglicher Gefahr der Übertragung des Kindbettfiebers zeitweiseuntersagt werden kann. Bei der Vorrangigkeit der Sorge vor Seuchenverschleppungen gegenüber dem persönlichen materiellen Interesse erhält sie eine Entschädigung für ihre Einnahmeausfälle, deren Höhe von Fall zu Fall nach Benehmen mit dem kgl. Kreisarzt festzusetzen ist. Nachdem Herne inzwischen kreisfreie Stadt geworden war, genehmigte der Magistrat 1923 eine Ortssatzung über Einrichtung einer Kreishebammenstelle.

Gemäß einer Nachricht aus 1925 obliegt die Geschäftsführung dem Gesundheitsamt, das zum Dezernat des damaligen Beigeordneten HöIkeskamp gehörte, der gleichzeitig Vorsitzender der Kreishebammenstelle war. Stellvertreter war der jeweilige Stadtarzt. Bald erfolgte die Festsetzung einer Geschäftsordnung für die Kreishebammenstelle der Stadt Herne. Die wesentliche Aufgabe der Stelle besteht im Ausspruch von Verwarnungen gegen Hebammen nach § 9 des Gesetzes über das Hebammenwesen vom 20. 7. 1922. Am 14. 9. 1928 setzt der Magistrat die Wahlzeit für die Kreishebammenstelle für die Zeit vom 16. bis 23. November fest. Wahlleiter war Bürgermeister Wiethoff, vermutlich der ehemalige Amtmann des gerade nach Herne eingemeindeten Amtes Sodingen, als Beisitzerinnen zum Wahlausschuss werden die Hebammen Frau Krone (Herne) Frau Reinert (Holthausen) sowie als Stellvertreterinnen Frau Ostermann (Herne) und Frau Lappe (Sodingen) genannt. Hiermit hören wir zum ersten Mal von einem bestimmten Recht der Hebammen, im Wahlausschuss mitzuwirken, nachdem sonst stets nur von ihren Pflichten gesprochen wurde.

Nach 1945 stellt sich die Situation wie folgt dar: der Amtsarzt Muss die Hebammen alle drei Jahre überprüfen. Die von den Hebammen geführten Tagebücher werden vom Gesundheitsamt kontrolliert und ausgewertet.

Gemeinde hilft armen Müttern

Nunmehr will ich mich "Ordnungsbemühungen" auf dem Gebiete des Hebammenwesens zuwenden, die insbesondere im Interesse des Gemeinwohls stattgefunden haben. Die diesbezüglich älteste Tatsache ist knapp über 100 Jahre her. Damals im Jahre 1868 beschließt die Gemeindeversammlung Herne auf ein Schreiben des Ehrenamtmanns von Forell, aus anerkanntem Bedürfnis eine dritte Hebamme anzustellen und die Ausbildungskosten zu tragen. Die Entbindungskosten für arme Mütter, das geht aus einer Eintragung aus dem Jahr 1877 hervor, hat die Gemeindekasse auch vorher schon bestritten. Im gleichen Jahr erklärt sich die Gemeindeversammlung fernerhin damit einverstanden (obwohl sie es "für überflüssig hält"), einer Verfügung der zuständigen Regierung vom 28. 4. 1877 gemäß die Anstellung von drei Bezirkshebammen gegen Renumeration (Entgelt) von 90 Mark zur Amtskommunalsache - gemäß § 5 der Landgemeindeordnung - zu machen. Die Anstellung durch das Amt wird am 12. September desselben Jahres genehmigt.

Im Jahre 1914 lehnt der Herner Magistrat dagegen eine Neuregelung des Hebammenwesens durch Erlass statutarischer Bestimmungen und Gewährung von Beihilfen trotz entsprechender Regierungsverfügungen noch ab, weil er auf dem Standpunkt steht, dass die Hebammen gut genug gestellt seien.

Im Jahre 1935 erscheint eine "Dienstordnung für Hebammen", die ihre Tätigkeit im Einzelnen regelt. Kurz danach – 1938 - kommt ein Gesetz zur Regelung der Berufsverhältnisse der Hebammen heraus. Es stellt vor allem fest, dass jeder Frau Geburtshilfe zusteht, ja, dass jede Schwangere eine Hebamme zur Entbindung zuziehen muss. Im Zuge dieser sozialen Regelungen liegt auch die (1954 abgedruckte) moderne Voraussetzung zur Berufsausübung der Hebamme: Behördliche Anerkennung als Hebamme na eh Prüfung und Niederlassungserlaubnis.

Die Honorierung

Bei den nicht geringen Anforderungen, die an die Hebammen gestellt wurden und sicherlich auch gestellt werden müssen, erhebt sich die Frage nach ihrer Honorierung. überblickt man diese für einen längeren Zeitraum, so stellt sie sich als recht bescheiden heraus. Nach dem ältesten von mir aufgefundenen Edikt von 1815, betreffend Einführung einer neurevidierten Taxe (demnach gab es mindestens eine ältere) für die "Medizinalpersonen" hatte es wegen der "Belohnung" der Hebammen bei der Verfassung jeden einzelnen Ortes sein Bewenden. Lediglich bei Streitfällen erhielten sie je nach den Vermögensumständen der Verpflichteten 1/4 bis 1/3 der ärztlichen Taxe. Das war je nach dem Schwierigkeitsgrad der Geburt 1/2 Taler (= 18 Groschen) bis 6 2/3 Taler (= 6 Taler 24 Gr.). Einen kleinen Vorzug genossen die Hebammen dadurch, dass sie laut Ordnung von 1825 Sportelfreiheit (Sportel war eine dem beteiligten Beamten zufließende Verwaltungsgebühr) für ihre Approbation und die über ihre Prüfung aufgenommenen Protokolle genossen.

In den nächsten 25 Jahren erfährt man aus den Akten nur hin und wieder von einer Hebammen gewährten Gratifikation oder Unterstützung: Im Jahre 1830 bekommt eine solche - und zwar in Höhe von 10 Reichstalern - die Hebamme Koester, die seit dem 1. Juli 1830 mit einem Reichstaler im Ruhestand ist, von der Regierung bewilligt. Im Jahre 1835 erhält die Hebamme Düngelmann, dann 1837 unter anderen aus dem Herner Bezirk wieder eine Hebamme Koester eine Gratifikation vom Kreisrendanten in Bochum ausgezahlt und 1838auf Antrag des Landrats und des Kreisphysikus die Hebamme Düngelmann 10 Reichstaler bewilligt.

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts fallen dann aber weitere Vergünstigungen fort, die den Hebammen vorher zugestanden waren. Im Schloss Bellevue wird 1849 vom König festgelegt - und das war gar keine Bellevue (= schöne Aussicht) für die Hebammen - dass sie mit dem Neujahrstage des kommenden Jahres künftig nicht mehr von der Klassensteuer befreit sein würden. Im selben Jahre 1850 wurden auch die Hebammenfuhren der Gutsherren ohne Entschädigung aufgehoben. Danach aber erfolgen wieder positive obrigkeitliche Regelungen. Eine solche war das Gesetz, betreffend Unterstützung hilfsbedürftiger Hebammenbezirke, von 1875. Im Jahre 1877 wird eine Verrichtung für arme Wöchnerinnen jedes Mal mit 6 Mark honoriert. Im Jahre 1895 beschließt man in Herne, für die Entbindung armer Wöchnerinnen künftig 10 Mark incl. Pflege, Lieferung von Watte und Karbol auszuwerfen. Eine Gebührenordnung von 1903 wird bald wieder ersetzt. Ein 1908 herausgegebenes Gesetz beauftragt die Regierungen, eine neue Ordnung für die Dienste der Hebammen auszuarbeiten. Der Magistrat Herne ist mit dem Entwurf der Regierung Arnsberg, der nur detaillierter ist und höhere Gebühren als der vorige aufweist, einverstanden. In der endgültigen Gebührenordnung wird für den Beistand bei einer Geburt je nach deren Schwierigkeit ein Betrag von 6-15 Mark angesetzt.

Darüber hinaus gehende finanzielle Zuwendungen vermögen die Hebammen nicht zu erreichen. So wird 1909 ein Antrag ihres Vereins auf Beihilfen für Nachkurse abgelehnt. Auch einem weiteren Gesuch aus dem Jahre 1914 um ein Jubiläumsgeschenk und monatliche Unterstützung für eine Hebamme wird aus grundsätzlichen Erwägungen nicht stattgegeben. Noch im Jahre 1926 geschieht es sogar auf Empfehlung des Deutschen Städtetages, dass der Herner Magistrat vier Hebammen wegen Zahlung des Differenzbetrages zwischen ihrem tatsächlichen und dem garantierten Einkommen auf den Klageweg verweist, da zu besorgen ist, dass die Hebammen mit Niederlassungsgenehmigung wegen der nicht konzessionierten Hebammen zukünftig ihr Garantieeinkommen nicht erreichen.

Nach Fortfall der Kürzungen gemäß der Brüning'schen Notverordnung in Höhe von 10 Prozent stand einer Hebamme ein Honorar von 36 Mark zu. Heutzutage (1965) beläuft sich der Satz auf 84 DM. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Hebamme heute längst gezwungen ist, sich ein Kraftfahrzeug zu halten. Oft ist sie daher genötigt, zwecks Zahlung des oben erwähnten Differenzbetrages doch die zuständige Behörde, nämlich den Provinzialverband, in Anspruch zu nehmen. Vor vielleicht 50 Jahren dagegen wurden durchweg noch zusätzlich "Trinkgelder" gezahlt, und es ist mir glaubhaft versichert worden, dass diese oft höher waren als das eigentliche Honorar.

Hebammen in unserer Heimat.

Für den Herner Raum sind Angehörige des Hebammenberufes ab 1810 in den Akten zu finden. Die bisher älteste bekannte Herner Hebamme war übrigens die Witwe Anna Maria Frey bzw. Frie (die Schreibweise schwankt), geb. Everts, die damals etwa (auch die Altersangabe in den Akten differiert), 75 Jahre alt war. Die Hebammen sind damals zunächst in einer Anzahl von nur wenigen Frauen nachweisbar. Ihre Zahl nimmt mit der steigenden Einwohnerzahl des jetzigen Stadtgebietes zu. Aber 1852 gibt es immer noch erst vier geprüfte Hebammen im Amt Herne, das damals 11 Gemeinden umfasste. Für 1861 hat man errechnet, dass auf je eine der vier Hebammen 1737,5 Einwohner kamen.

Die erste wesentliche Steigerung der Hebammenzahl auf sieben erfolgte 1877. Im Jahre 1881 sind es neun, sechs davon frei praktizierend, drei sind Bezirkshebammen. Die nächsten Zahlen konnten erst ab 1912 ermittelt werden, als 38 Hebammen genannt wurden. Diese Entwicklung des Hebammenstandes erreicht 1926 mit 46 Gewerbegenehmigungen ihren Höhepunkt und bleibt bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges relativ konstant. Im Jahre 1945 werden nur 19 frei arbeitende Hebammen aufgeführt. Im laufenden Jahr 1965 zählen die freiberuflichen Hebammen acht Berufsangehörige. Außerdem sind, wie bereits ab 1939 feststellbar, inzwischen einige in Krankenhäusern tätig.

Konnte man also hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes des Berufes von einem "Frauenberuf mit langer Vergangenheit" sprechen - kommt doch die Berufsbezeichnung Hebamme in zeitgemäßer Form bereits im Althochdeutschen vor, - kann man von der Verbreitung des Hebammenberufes sagen (jedenfalls, sofern es die frei praktizierenden Hebammen anbelangt), dass er bei der heute herrschenden Tendenz zu Krankenhausentbindungen vorderhand keine Zukunft zu haben scheint.

Schwerer, jedoch schöner Beruf

Das Auf und Ab des Lebens zu der Geschichte hat sich damit auch in der Entwicklung des Hebammenberufes gezeigt. Ebenso ist es im Leben der einzelnen Hebamme.

Einem Tiefpunkt wie ihn der Fall der Hebamme Maria Zebrowski (1912-38 nachweisbar) darstellt, die selbst im Wochenbett starb, weil sie schon am vierten Tag nach einer Geburt zu einer Entbindung eilte, steht immer wieder das beglückende Gefühl gegenüber, wenn die Hebamme einer jungen Mutter das Neugeborene in die Arme legt. Dieses Erlebnis hat vielleicht bei dem Entschluss mancher Hebammentöchter mitgewirkt, ebenfalls diesen Beruf der Mutter zu ergreifen, Angesichts des jahrhundertealten sozialen Wirkens der Hebammen war es meines Erachtens aus der Sicht des Archivars in der Zeit weitgehender Nichtinanspruchnahme dieser Helferinnen der Mütter an der Zeit, aufzuzeigen, dass dieser Beruf eine bemerkenswerte allgemeine und auch besondere Herner Geschichte hat. [1]

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Quellen

Dokumente aus den Beständen des Stadtarchiv Herne
  1. Dietrich Hildebrand Herne - unsere Stadt - Juni/Juli 1965 S. 7-10