Die Rellinghauser Marienvikarie mit Herner Gütern gestiftet (Reiners 1937)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 19. Juni 1937 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger ein umfangreichen Artikel über die Rellinghauser Marienvikarie mit Herner Gütern gestiftet worden war. [1]

Die Rellinghauser Marienvikarie mit Herner Gütern gestiftet!
Die Kotten Koch, Grüter und Herntrey an der Rosenstraße und ihre Beziehungen zum Stift Rellinghausen

1335 bis 1778

Wir haben vor längerer Zeit in eingehender Darstellung den Herner Besitz des Benediktinerklosters Werden, des Frauenstiftes Essen, der Benediktinerabtei Deutz und des Zisterzienserklosters Sterkrade aufgezeigt und behandelt. Damit ist aber der Besitz an Höfen und Kotten, den auswärtige Klöster in Herne hatten, noch nicht erschöpft. Es bestanden auch Beziehungen von Herne zu den Frauenstiften Rellinghausen und Stoppenberg. Diese Beziehungen sind sogar besonders aufschlussreich. Heute sei zunächst der Besitz des Stiftes Rellinghausen behandelt.
Dieses Stift ist wie Stoppenberg eine Tochtergründung des Essener Frauenklosters. Das Essener Stift, 852 von Alfrid, dem Bischof von Hildesheim, auf seinem ererbten Gut Astnide (= Essen) gegründet, diente vorwiegend der Erziehung von Töchtern des hohen Adels. (Mehrfach stellte das sächsische Kaiserhaus die Äbtissin.) Für die Töchter des niederen Adels entstanden die Stifte Rellinghausen und Stoppenberg. Rellinghausen ist davon das ältere. Es wurde um 990 von der Essener Äbtissin Mechtild, einer Enkelin Kaiser Ottos des Großen, auf dem in den Besitz des Essener Stifts gelangten Hofe Ruoldinghus (daher Rellinghausen) gegründet. Es war zunächst ein Jungfrauenkloster mit einer Kapelle, später ein freiweltliches adeliges Damenstift, das in Rellinghausen zeitweilig die Territorialherrschaft erlangte, mit dem Essener Kloster u. a. aber noch dadurch verbunden blieb, dass ein Mitglied des Essener Stifts, meist die Äbtissin, zugleich Pröpstin von Rellinghausen war. Das Stift hatte nämlich zwei Vorsteherinnen, eine Pröpstin und eine Dechantin. Die letzte Pröbstin war bei der Säkularisation im Jahre 1803, die der Anfang vom Ende des Stiftes Rellinghausen war, Antonia, Reichsfürstin von Lichtenstein (gest. 1822 in Wien), die letzte Dechantin Theresia von Clodt (gest. 1808 im Alter von 85 Jahren). Groß war das Stift nicht, denn es zählte nach Maßgabe der vorhandenen dotierten Stellen außer der Pröbstin nur zehn Kapitularinnen, von denen jede vor der Aufnahme ihre ritterbürtige Abstammung durch Aufschwörung von sechzehn Ahnen nachweisen musste, und an der Stiftskirche drei Kanoniker, denen auch die Seelsorge der Gemeinde oblag. Diese Stiftskirche, die im 14. Jahrhundert an Stelle der alten Kapelle errichtet und 1825 wegen Baufälligkeit niedergerissen wurde, während der Turm stehen blieb, hatte ein „Damenchor“, auf dem sich ein Marienaltar befand, mit dem eine Vikarie verbunden war. Diese Marienvikarie ist es, die in Herne Güter besaß. Bei diesen Gütern handelt es sich um drei Kotten, die nebeneinander an der Rosenstraße im Schatten der alten Dionysiuskirche lagen: die Kotten Koch (heute Nordmann), Grüter (später Rembert) und Herntrey (heute Wirtschaft Lechtape).

Die Stiftung der Vikarie 1335

Über die Geschichte der Beziehungen dieser Kotten zum Stift Rellinghausen [Es bestanden auch zwischen den Strünkedern und dem Stift Rellinghausen Beziehungen, denn Anna von Strünkede (geb. 1589), Tochter des in Neheim lebenden und dort mit Elisabeth von Fürstenberg vermählten Georg von Strünkede - er war ein Sohn des Goddert, der in Herne die Einführung der Reformation begünstigt hatte - war Kanonissin im Stift Rellinghausen. Übrigens zeigt dies, dass nicht die ganze Familie der Strünkeder zum neuen Bekenntnis übergetreten war. ] haben wir im Staatsarchiv Düsseldorf aufschlussreiches Material gefunden. Da sind zunächst mehrere Urkunden über die Stiftung und Dotierung der Rellinghauser Marienvikarie. Nach einer Urkunde vom 1. Februar 1335 (d. 1335 in Vigilia purif. b. Marie)[2] hat die Dechantin von Rellinghausen Sophia von Graschaf die Errichtung eines Altares zu Ehren der sel. Jungfrau Maria auf dem neuen Chore der Stiftskirche vorgehabt, doch hat erst ihre Nachfolgerin, die Dechantin Frederunis de Horst, dieses Vorhaben ausgeführt und den Altar mit ihren eigenen Gütern dotiert. Sie unterließ es aber, die Zustimmung der Pröpstin und des Kapitels zu dieser Stiftung einzuholen. Deshalb wird in der genannten Urkunde eine Übereinkunft dahin getroffen, dass der den Altar bedienende Priester ohne Einwilligung der Pröpstin weder seelsorgliche Handlungen ausüben noch an gewissen Tagen an dem Altare Messe lesen soll. Besiegelt ist die Urkunde von der Dechantin, der Pröpstin Sophia, dem Dechanten von St. Andreas in Köln Henrich de Vlerike, dem Kanonichen Rutger dictus Duker und dem Erzpriester in Kaiserswerth Heinrich.
Die Beziehung zu Herne stellt nun die folgende Urkunde her. Sie datiert vom 24. April 1335 (Dat. feria secunda post oct. pasche). In ihr verkauft Christina, die Witwe des Gyselbert Dubing, mit ihren Kindern Everhard, Neyseke, Rechtrat und Gertrud mit Wissen und Rat ihrer Verwandten und Freunde Joh. de Bertelwich, Hugo de Dudinck u. a. ihre Güter in Herne, die einst Gerlach vor dem Kirchhofe bewohnte, mit allem Zubehör an den Konvent Rellinghausen zum Besten des neuen Marienaltares im Chore. Als. Bürgen benennt sie außer den Genannten Gobelin Schulen [Nach einem Lehnsverzeichnis Johannes und Dietrichs von Limburg-Styrum aus der Mitte des 14. Jahrh. war Gobelin Schulen mit Gütern genannt Düngelen und einem Acker genannt Kamp bei Horsthausen belehnt. ], Rutgher de Ichorne = Ickern) und Herman de Osthove (wohl Osthof in Mengede), die im Falle der Nichterfüllung des Vertrages in Bochum einreiten sollen. (Das damit verbundene Sicheinlagern, eine beliebte Methode des Mittelalters, geschah auf Kosten des Vertragsverletzers). Die Urkunde haben die Bürgen (außer Schulen) besiegelt. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen worden vor dem Freigrafen Conrad [Nach Darpe (Gesch. d. Stadt Boch. S. 108) war 1333 Konrad von Brilinkhusen Freigraf zu Bochum. ]

in Bochum unter Beisitz der Freien Godescale (= Gottschalk) Overberg, Everhard de Oldenbuchem (= Altenbochum), Gerlacus de Vrilinchusen sowie des Officiaten Ernst in Bochum, der Brüder Engelbert und Gerhard de Horst, Ernst von Osthove, Gyselbert von Westhusen uid Theoderich Vitinch.
Eine weitere Urkunde vom 2. November 1335 (d. Lechenich 1335 in crast. Omnium Sanctorum) besagt, dass Erzbischof Walram von Köln auf Veranlassung der Dechantin zu Rellinghausen, Frederunis de Hurst, dem Dechanten der Christianität Essen, Wenemar de Hamme, den Auftrag erteilt, die Hinlänglichkeit der Dotationsgüter zum Unterhalt eines Rektors des von ihr gestifteten Altars zu untersuchen und alsdann diesen Altar zu einem Benefizium zu erheben. Die folgende Urkunde (d. 1335 Sabbato post Andree) enthält die in Vollziehung seines Auftrages von Dechant Wenemar de Hamme gemachte Feststellung, dass der zu Ehren der Jungfrau Maria geweihte Altar gestiftet ist aus Gütern genannt Dubinc in Herne.
Damit ist die für die Herner Heimatgeschichte interessante Tatsache festgestellt, dass vor 600 Jahren mit Herner Gütern die Marienvikarie im Stift Rellinghausen dotiert worden ist. Es fragt sich nun: Wem haben diese Güter vorher gehört? Zunächst heißt es, die Dechantin Frederinus de Horst habe sie besessen, denn sie hat ja „mit ihren eigenen Gütern“ die Altarstiftung dotiert. Etwa drei Monate später verkauft aber die Witwe des Gyselbert Dubinck, Christina, ihre Güter in Herne zum Besten des neuen Marienaltars in Rellinghausen, und Anfang Dezember desselben Jahres stellt Dechant Wenemar de Hamme fest, dass der Marienaltar gestiftet ist „aus Gütern genannt Dubinc“ in Herne. Nun ist aber ein Adelsgeschlecht Dubink in unserer Gegend unbekannt. (Es scheint im Arnsbergischen gesessen zu haben; s. Seibertz II Nr. 665.) Daher kann die Bezeichnung „Güter genannt Dubinc“ kein altes Besitzverhältnis bezeichnen. Außerdem erscheinen in der Verkaufsurkunde der Witwe Dubink die Brüder Engelbert und Gerhard de Horst als Zeugen. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die Witwe Christina des Gyselbert Dubink eine geborene von Horst war und die Güter in Herne als Horstsches Erbe besessen hatte. (Den von Horst hatte ja auch der Hof Behmer in Voßnacken gehört, den Ritter Dietrich von Horst vor seinem Tode dem Zisterzienserkloster Sterkrade verkaufte und gab, was seine Söhne 1266 durch Verzichtleistung bestätigten.) Nun gehörte allerdings das Geschlecht von Horst - es saß an der Ruhr bei der heutigen Ortschaft Horst und sein Sitz soll aus dem zu Eickenscheidt gehörigen Hof Horstmann hervorgegangen sein - ebenso wie die Eickenscheidt, von denen sie einen Abschliß bildeten, zur Ministerialenschaft des Stiftes Essen. Sie hatten auch das Erbmarschallamt des Stifts inne. Daher ist es nicht unmöglich, dass sie die „Güter genannt Dubinc“ in Herne vom Stift Essen in Besitz hatten. Anderseits können auch Beziehungen zu den Strünkedern bestehen, wenn die Angabe Detmar Mülherrs richtig ist, dass um 1300 Bilia von Strünkede mit Rötger von und zu der Horst verheiratet war. Dann wären die „Güter gt. Dubinc“ vielleicht ursprünglich Strünkeder Besitz gewesen und als Mitgift oder Erbe an die von Horst gekommen. Christina Dubink, die Dechantin Frederunis de Horst, die Zeugen Engelbert und Gerhard von Horst sind dann vielleicht Kinder der Bilia von Strünkede gewesen. [Außer Engelberk und Gerhard von Horst wird in einer Urkunde von 1319 noch ein dritter Bruder Hugo genannt. (Kindlinger, Gesch. d. d. Hörigk. S. 366 ff) Hier hat jeder eine andere, aber für die Beziehung des Geschlechts zu den Eickenscheidt aufschlussreiche Siegelunterschrift (S. Engelberti de Horst, S. Gerinardi de Ekenschede und S. Hugonis de Horst de Ekenschede). ] Aber das alles sind nur Mutmaßungen; die Beziehungen zu Strünkede werden zudem noch dadurch belastet, dass nach anderer bei v. Steinen zitierter, aber unbelegter Angabe das Paar Bilia von Strünkede und Rötger von Horst rd. 80 Jahr später anzusetzen sein soll.

Die Besitzverhältnisse der Herner Güter, mit denen die Marienvikarie in der Stiftskirche zu Rellinghausen begründet wurde, bleiben also für die Zeit vor 1335 unklar. Es ist auch nicht klar, ob diese Güter damals schon drei Kotten ausmachten. Gesprochen wird nur von „Gerlach vor dem Kirchhofe", der sie bewohnt hat. In der Türkensteuerliste von 1542 werden „Gruiter" und „Herentrey" als Kötter aufgeführt, Koch nicht. Dieser Kotten hat also entweder noch nicht oder unter anderem Namen bestanden. Das letztere ist das wahrscheinlichere. Erst in der Feuerstättenliste des Amtes Bochum von 1664 erscheinen die drei Kotten Koch, Grüter und Herntrey vollzählig, bei Grüter und Herntrey ist auch die Kirche zu Rellinghausen (fälschlich Röllinghausen geschrieben) als Grundherrin angegeben, während Koch keine solche Bezeichnung hat. Im ältesten Strünkeder Hypothekenbuch aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts ist ebenfalls noch nicht das klare Besitzverhältnis bezeichnet, hier steht bei allen drei Kotten der Vikar Beatae Mariae Virginis zu Stoppenberg (!) als Besitzer angegeben. In Wirklichkeit haben alle drei Kotten zur Rellinghauser Marienvikarie gehört. Das geht eindeutig aus den Verkaufsurkunden hervor.

Vikare des Marienaltars

Bevor wir darauf zu sprechen kommen, sei noch weiteres über die Marienvikarie in Rellinghausen gesagt. Zunächst etwas über die Vikare des Marienaltars. Als erster wird 1337 Heinrich von Werl urkundlich genannt, 1371 ist es „Herr Dietrich, dey dat altar op dem kore hevet“, von 1385 ab wird Hermann von Hagenbeke als Rektor oder Altarist oder Verwahrer des Altars auf dem Jungfrauenchor genannt; 1432 wird der Priester Johann de Geseke nach dem Tode des Hermann von Hagenbeke durch die Dekanin Johanna Duckers mit dem Marienaltare investiert; 1450 nach der Resignation des Altaristen Aurelius Eckincrod (der in gleicher Urkunde als „Altarist in Essen" Zeugenschaft leistet, allerdings hierbei Amelius genannt wird) bzw. des Prokurators Joh. Kosters investiert die Dekanin Jutta von Bochem den Kleriker Theoderich de Delft aus der Diözese Utrecht mit der Vikarie des Marienaltars auf dem Chor. 1488 und 1509 wird Jacob Coster als erster Vikar zu Rellinghausen genannt.
Es erübrigt sich, die Reihe der Vikare noch weiter zu verfolgen, stattdessen sei noch einmal von der Dotierung der Vikarie gesprochen. Schon bald nach der Stiftung des Altares ist die Vikarie mit weiterem Besitz ausgestattet worden. So verkauft 1337 Heinrich gt. in der A dem Heinrich von Werl zum Behuf des Altars auf dem Chor seine Hälfte an gewissen Äckern in Wattenscheid, 1389 verkauft der Predigerkonvent zu Dortmund die Hälfte eines Hauses zu Rellinghausen, das Broder=Hus genannt, dem Hermann von Hagenbeck, Rektor des Altars auf dem Chor, 1431 verkaufen Johann von dem Vytinchove und seine Ehefrau Bertha dem Von Hagenbeck zu Nutz desselben Altars eine halbe Mark erblicher Jahrrente aus ihrem Gut op dem Kellen im Kirchspiel Rellinghausen, 1439 schenkt Elseken von Limburg dem Altar einen Morgen Land zu Rellinghausen zu ihrem Seelgedächtnis, 1459 bekennt Schulte Rutger von Wattenscheid vor dem Schöffengericht zu Bochum, dass er dem Marienaltar von einem ihm zuständigen Stück auf dem Sunderkampe, der zum Hof Ückendorf gehört, ein Jahrgeld von 5 Scheffeln Schuldkorn schuldig sei usf. Von diesen Besitzungen und Einkünften sind außer den Hernern besonders wichtig gewesen die Wattenscheider. Um welche Grundstücke es sich dabei handelt, geht aus einem Schreiben des später noch zu behandelnden Kanonikus Soutzen aus dem Jahre 1778 hervor, wonach von den Rellinghauser Ländereien in Wattenscheid die Wittib Schif 3½ Morgen, Jörgen Westermann 1½ Morgen, van Sunten 1 Morgen, Jakob Bömer 1 Morgen und Diederich Bömer 1 Morgen in Pacht haben. Es handelt sich also um insgesamt 8 Morgen.
Obwohl schon am Ausgangspunkt der Altarstiftung die Frage untersucht worden ist, ob die Dotationen zum Unterhalt eines Vikars ausreichen, sind trotz weiterer Erwerbungen die Einkünfte zu gering gewesen. Deshalb hat man später die Vikarie mit anderen geistlichen Benefizien verbunden. So war 1701 Johann Ludger Timminghoff, Pastor beim Stift Stoppenberg und Rektor des Altares Beatae Mariae Virginis in der Hohen Kirche zu Essen, auch Vikar des Marienaltars in Rellinghausen, und auch der genannte Soutzen war zugleich Kanonikus des Stifts Essen und Vikar des Marienaltars in Rellinghausen. Von dem Pastor und Vikar Johann Ludwig Timminghoff liegt bei den Rellinghauser Akten ein Pachtbrief von 1701 vor, in dem er an Dietherich Böcker und seine künftige Ehefrau Catharina Grüeters in Herne den Grüters=Kotten verpachtet. Von demselben ist auch ein Pachtbrief von 1715 vorhanden, in dem er nach Absterben des Joh. Herentren und Abstand seiner hinterlassenen Wittib Elsabeth Hülßmann den Herentrey=Kotten an Martin Overkamp als zukünftigen Bräutigam und Ehemann der Elsabeth, Tochter des vorgenannten Johann Herentrey, verpachtet. Als jährliche Pacht werden festgesetzt: 7 Scheffel duplicis = halb Roggen, halb Gerste), 7 Schilling Hofgeld und 7„wohlwachsene" Hühner.

Der Verkauf der drei Kotten

Auch die Vereinigung der Marienvikarie in Rellinghausen mit anderen Benefizien hat die Frage der unzureichenden Einkünfte nicht endgültig gelöst. Das lag vorwiegend an den Pächtern. So zeigt im Jahre 1778 der Kanonikus Soutzen dem Kapitel in Rellinghausen an, dass er von den zur Vikarie Beatae Mariae Virginis zu Rellinghausen gehörigen in Herne, Grafschaft Mark, gelegenen drei Köttern Gruter, Koch und Herentrey fast gar kleine Pacht oder doch nur mit großen Kosten erzwingen könne. Daher schlägt er vor, diese Kotten zu verkaufen und mit dem eingehenden Kaufschillinge im Stift Essen oder Rellinghausen andere Erben oder Grundstücke „hinwiederum zur Vikarie zu bringen". Hierzu hat das Kapitel am 4. Februar 1778 die Zustimmung erteilt. Die Urkunde darüber (die in Original und Abschrift vorhanden ist) ist von der Dechantin Sophia von Dalwyk, der Seniorin und fünf anderen Kapitularinnen unterzeichnet. Ebenso hat Soutzen vorgeschlagen, die in Wattenscheid an mehrere Leute verpachteten 8 Morgen zu verkaufen. Da die Pächter geringe Leute seien, auf deren Pacht er öfters an die dreiviertel Jahre warten müsse, anderseits die Ländereien nass und mehr schlecht als gut, der Contribualität (Steuerpflicht) unterworfen und von verschiedenen Fußpfaden durchzogen seien, so brächten diese Ländereien wenig ein. Dazu käme die Entlegenheit in fremder Gerichtsbarkeit. Es sei daher vorteilhafter, auch sie zu verkaufen und das Geld an anderer Stelle besser anzulegen. Ihm seien für die 8 Morgen 800 Rtlr. geboten, er hoffe aber den Preis auf 1000 Rtlr. zu bringen. Der Verkauf der Herner und Wattenscheider Güter hat denn auch im Jahre 1778 stattgefunden. Allerdings hat Soutzen nicht hereingeholt, was er erwartete. In Herne erlöste er 750 Rtlr. (als ihm vorgeworfen wurde, er habe vorher 850 angegeben, erklärte er das für einen Schreibfehler), in Wattenscheid nur 600, so dass insgesamt 1350 Rtlr. erzielt wurden. Die Kaufbriefe über die Kotten Grüter, Koch und Herentrey liegen in den Rellinghauser Akten in doppelter besiegelter Originalausfertigung vor. Der erste Kaufbrief hat folgenden Wortlaut:
Ich Franciscus Soutzen des Kayserlich=frey Weldlichen stifftes Essen Canonicus Capitularis und Vicarius sen Rector altaris Beatae Mariae Virginis in Choro Canonissarum zu Rellinghausen Zeuge und bekenne hiemitt, daß ich den zur heiligen Mutter Gottes Vicarie auf dem Chanoinessen Chor zu Rellinghausen gehörigen, in der Baurschaft Herne Gerichts Strünckede gelegenen sogenannten Grüters Kotten mitt allen seinen recht und gerechtigkeiten, ein und Zubehörungen, zu besagter Vicarien und meiner nachkommenden Rectoren beßerm Nutzen und Vortheil, mitt consens und bewilligung der Hohen Obrigkeit, auch zeitlichen Collatoren eines steten, festen und unwiderruflichen erbkaufs zu kauffen gegeben habe und hiemit in bester Form rechtens Verkauffe dem Diethericen Grüter und Annen Calherinen ehleuten bisherigen desselben pächtigeren und aufsitzeren (gemeint sind Joh. Diedr. Holthoff und Anna Cathr. Grüter, die 1776 geheiratet hatten) für und um eine unter uns Vereinbahrte und bev extradirung dieses Kaufbriefs von eheleuthen Käufferen zu meinen Händen wohl überzählte summe Geldes von 450rkl. jeden rtl. zu 60 stb. clevisch nach jetzig-gemeinem Cours gerechnet, und da ich diese gelder zum besten Vortheil obgedachter Vicarte wider Verwenden will, so gutkire über den empfang deren obgedachten Kaufgelderen ab 450 rk., begebe mich der einreden nicht gezählt oder zum nutzen obbesagter Vicarie nicht Verwendeten Gel-dern, gehe auch vor mich und meinen nachkommenden Vicariis von nun an aus dem Besitz solchen Kottens, und setze die ehleuthe ankäufere in dessen würklichen genuß und besitz ein, um solchen als ihr eigenthum zu haben und besitzen, mitt Versprechen dieselbe dieses Ankauffs halber wider männiglichen zu verkretten, und gebührende eviction zu leisten bev Verband meiner Güther.
urkundlich habe ich diesen Kauffbrieff eigenhändig unterschrieben und mitt meinem gewöhnlichen pettschafft bedrucket, so geschehen Essen, 16ten November 1778
Francicus Soutzen Canonicus qua vicarius sen Rector altarts Beatae Mariae Virginis in Choro Canonissarum zu Rellinghausen
mpp.

Die Kaufbriefe für Jörgen Herentren und seine eheliche Hausfrau Anna Maria sowie für Johann Henrich Koch und seine Ehefrau Anna Clara (Joh. Heinrich Koch war ein Stamm von Deinlinghausen und hatte 1759 bei Koch eingeheiratet) haben genau denselben Wortlaut; die Kaufsumme beträgt bei ihnen jedoch nur je 150 Reichstaler. Der wichtigste und wertvollste der drei Kotten ist also der Grutersche gewesen, der für 450 Reichstaler verkauft wurde. Hier dürfte daher auch wohl vor 1335 der „Gerlach vor dem Kirchhofe“ gewohnt haben. Je eines von den doppelt vorliegenden Originalen der Kaufbriefe trägt folgende Genehmigung der damaligen Essener Fürstäbtissin Maria Cunegunda:
Serenissima Princeps!
Ihro Königl. Hoheit haben Vorstehende Kauf= und Verkaufsconkract authoritate ordinaria gnadigst confirmiret und bestattiget.
Ehrenbreitstein den 16 t. April 1779

„Diese Unterschrift, - mit Serenissima Princeps, ist offenbar die Probstin Antonia, Reichsfürstin von Lichtenstein gemeint - ist insofern bemerkenswert, als sie von der letzten Äbtissin des Stiftes er von 1775 bis 1803 regierenden „Königlichen Prizessin in Pohlen und Lithauen, Herzogin zu Sachsen, des Heiligen Römischen Reiches Fürstin und Aebtissin zu Essen und Thorn usw.“ Maria Kunegunda stammt. Diese war die jüngste Tochter aus der kinderreichen Ehe Friedrich Augusts II. von Sachsen=Polen.
Mit dem Verkauf der drei Kotten an die Pächter und Aufsitzer enden die Beziehungen zwischen Herne und dem Stift Rellinghausen.
Dr. L. Reiners.

Quellen: Staatsarchiv Düsseldorf. Rev. Stift Rellinghausen: 1) Urkunden von 1335, 2) Akten Nr. 5, ferner Rep. Stift Essen Akten II, 48

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Quellen