Vergessene Patrioten - Gräber jüdischer Soldaten in Herne und Wanne-Eickel

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Der Originaltext/Artikel dieser Seite stammt von Kurt Tohermes und wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet.
Autor Kurt Tohermes
Erscheinungsdatum 1987, in: Sie werden nicht vergessen sein, S. 72 und 73

Deutsche Juden nahmen seit den Befreiungskriegen an allen Kriegen und Feldzügen teil, bis das nationalsozialistische Kriegsministerium sie 1934 aus dem Offiziersstab und 1935 aus dem Militär insgesamt ausschloss. Die meisten jüdischen Soldaten hatten sich stets freiwillig zur Truppe gemeldet, obwohl ihnen mit nur wenigen Ausnahmen der Aufstieg in Offiziersrange verwehrt war. Auch aus dem Raum unserer Stadt wurden junge Juden Soldaten in der preußischen Armee. Das älteste diesbezügliche Dokument stammt aus dem Jahr 1812. Am Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 nahm u.a. der Metzger Baum aus Herne teil und trug seine Erinnerungsmedaille bei allen feierlichen Anlässen. Dies sind nur zwei Beispiele, die das patriotische Bewußtsein der hiesigen Juden dokumentieren.

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Besonders im Ersten Weltkrieg sahen viele Juden die historische Gelegenheit gekommen, durch Tapferkeit und Opferbereitschaft antisemitischen Strömungen in der Heimat ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Bei Kriegsausbruch fanden in den Synagogen von Herne und Wanne-Eickel Gottesdienste für "Kaiser und Reich" statt. Zahlreiche Juden aus beiden Städten meldeten sich sofort freiwillig zum Militär. Auch sie hatte die allgemeine Kriegsbegeisterung ergriffen. Ca. 100.000 Juden kämpften in allen Waffengattungen für das Deutsche Reich. Durch ihre Einsatzbereitschaft waren die Todesrate und die Verwundetenrate unter den jüdischen Soldaten prozentual höher als bei den Soldaten anderer Konfessionen. So starben auch aus dem heutigen Stadtgebiet zahlreiche jüdische Soldaten. Sie wurden auf den Soldatenfriedhöfen der Städte oder auf den Friedhöfen bei den Schlachtfeldern begraben. Hierin gab es keine Unterschiede zu den anderen Konfessionen. Im Juni 1916 wurde ein "Ehrenhain" auf dem Wanner Waldfriedhof eingeweiht, der für die gefallenen Soldaten als Begräbnisplatz dienen sollte. An den Einweihungsfeierlichkeiten war der Synagogenvorstand ebenfalls beteiligt. Hier wurden die Leichen zunächst ohne Ansehen der Religion beigesetzt. Aus Wanne und Eickel nahmen allein 87 jüdische Soldaten am Ersten Weltkrieg teil, was einem Drittel der gesamten jüdischen Bevölkerung entsprach. 13 von ihnen fielen im Krieg und drei weitere blieben vermisst.

In den Jahren 1933 bis 1945 wurden alle Grabmale jüdischer Soldaten von den Soldatenfriedhöfen der beiden Städte entfernt. Eine Umbettung der Leichen hat wahrscheinlich nicht stattgefunden. Möglich ist aber eine Umgruppierung einiger der verbliebenen Steine in den Jahren der NS-Zeit. So ließen sich zum Beispiel "alte Kämpfer" der Wanner NSDAP auf dem Ehrenfeld auf dem Waldfriedhof beisetzen, und diese konnten nach der NS-Ideologie nicht mit Juden auf einem Feld liegen. Nach Kriegsbeginn wurden hier Gefallene der Reichswehr beigesetzt. Die NS-Gräber wurden sofort nach Kriegsende wieder entfernt. Aus diesen Gründen lässt sich heute nicht mehr die Gesamtzahl der jüdischen Soldatengräber angeben, die es einmal in Herne und Wanne-Eickel gegeben hat. Eine Gedenktafel, die die Namen der jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Wanne und Eickel enthielt, war im Eingang der Synagoge in der Langekampstraße angebracht. Die 1920 gestiftete Tafel wurde in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 von SA-Leuten zerstört. Im Eingang der Herner Synagoge hing ebenfalls eine Erinnerungstafel an die getöteten jüdischen Soldaten aus Herne. Auch sie wurde von den NSDAP-Anhängern in der Reichspogromnacht zerstört. Heute sind lediglich noch die Namen von sechs der gefallenen jüdischen Mitbürger aus Herne bekannt, jedoch ist nicht mehr festzustellen, auf welchem Friedhof sie beigesetzt waren.

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Quellen

Sie werden nicht vergessen sein - Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel (Ausstellungsdokumentation), Herausgeber: Der Oberstadtdirektor der Stadt Herne, 1987