Was die Axt begann, vollendet Jahre darauf die Spitzhacke (Bergelmanns Hof)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Was die Axt begann, vollendet Jahre darauf die Spitzhacke

Erinnerungen aus Anlaß des Abbruchs von Bergelmanns Hof

Wenn die Spitzhacke die zundertrockenen Fachwerkwände aus dem morschen Gebälk des Bergelmannschen Hofes schlägt, werden auch die altert Herner, die noch Zeugen einstiger Dörflichkeit sind, keinen Trauergesang anstimmen. Der schon recht verwahrloste Bau, war schon lange keine Zierde mehr für das Behördenviertel, in dem er wie ein Fremdkörper stand.

Lediglich eine Erinnerung war er für die Alten, den Jungen hatte er nichts mehr zu sagen. Und mag man es auch bedauern, daß der alte Fachwerkbau verschwindet, so muß man sich doch vernünftigerweise sagen, ein Schmuckstück hätte er bei seinem Zustand, selbst nach einer gründlichen Renovierung nicht mehr darstellen können.

In vieler Munde war der Hof in den vergangenen Jahrzehnten, als nach Shamrock nur Feldwege führten. „Bergelmann Bur", sagten die alten Herner, vornehmlich die Shamrocker Kumpels, die täglich an. dem Hof vorbei mußten. Es sind ihrer nicht mehr viele, dir sich der Zeit erinnern, als der Hof noch ein Bauernhof war. Wer kann sich überhaupt noch vorstellen, daß man von der St.-Bonifatius-Kirche bis nach Shamrock sehen konnte. Vom Anfang der Behrensstraße bis nach Shamrock sah man vor 45 .Jahren nur Felder, die zum Teil sogar recht tief lagen. Die Schule „Kirchhofstraße" stand schon, und anschließend lag der Kirchhof. Auf den Wiesen rund um Bergelmann bzw. Rathaus grasten die Bergmanns Kühe und an den Feldrändern stachen Kaninchenzüchter Löwenzahn. Im Schatten des wuchtigen Hofes, der von Eichen und mächtigen Birnbäumen umrahmt war, fühlten sich jene Menschen besonders wohl, die den Weg vom Lande in die Stadt gefunden hatten. Er bot den aus dem Osten zugewanderlull Bergleuten ein Stück Heimat.

Der letzte Erntewagen

Anno 1892 fuhr aber der letzte Erntewagen auf die große Tenne. Schon lange vorher waren Morgen um Morgen Land gegen glitzernde Goldfüchse nach Shamrock verkauft worden. Bergelmann machte das Bauernsterben in unserer Heimat freiwillig mit. Die Chance wurde genutzt. Mit jedem Morgen Land, der die Ackerfläche verringerte und vom Kohlberg mit Gold aufgewogen wurde, wuchs das Bankkonto. Der Begriff Pensionär war für den Ex-Bauer mehr als gutbürgerlich. Bergelmanns Guthaben war erheblich, und von den Zinsen ließ es sich mehr als gut leben. Trotzdem hing der Bauer an seinem Hof, auf dem er sitzenbleiben wollte. Ihm fehlte aber der Weitblick für die bauliche Entwicklung. Er sah nicht, daß eines guten Tages Klinker und Asphalt das Zeitalter von Fachwerk und weißen Sandwegen ablösen würden. Schließlich war er Westfale mit einem guten Schuß Konservatismus. Das alte Haus mit seinen niedrigen aber anheimelnden Stuben verblieb ihm. Aber die restlichen Wiesen und Aecker rechten nicht mehr für eine ertragreiche Landwirtschaft aus. Den rest der Ländereien kaufte die Stadt und schließlich auch den Hof. Shamrock war an weiteren Grundbesitz von Bergelmann nicht mehr interessiert, da dieser außerhalb der Zecheneinflußzone lag.

Die Birnen lockten

Nicht wenige alte Herner, die heute ergraut wie seriöse Herren sind und damals die Schulbänke an der Neu- und Kirchhofstraße drückten, konnten bei Bergelmanns schlecht vorbei. Noch nach dem ersten Weltkrieg waren es sieben hohe und im Spätherbst dichtbehangene Birnbäume, die ins Auge stachen. Der Hof war ja Stadteigentum. Das war ihre Meinung, die so etwas wie ein Freibrief für sie bedeutete. Die Lehrer beider Schulen mußten alljährlich, wenn die Birnen reiften, oft eine Strafsitzung abhalten.

Zeuge des „Dorfes“ Herne

Beim Bauamt herrschte der Gedanke vor, das Bauernhaus zu konservieren. Baumeister Piepgras zog ein und sollte dafür garantieren, daß alles beim Alten blieb. Die Stadtväter hatten damals andere Sorgen und überließen den Hof den Verwaltungsbeamten, wovon die meisten mit ihm großworden waren. Als Zeuge einstiger Dörflichkeit sollte er erhalten bleiben.

Glühtrankstuben im Bauernhaus

Die folgende Zeit ignorierte aber die behördlich angeordnete Erhaltung, zumal im Etat keine Gelder für die Konservierung bereitgestellt wurden. Nicht um jeden Preis ist Altes der Nachwelt zu erhalten, war die Meinung vieler. Angesichts der gewaltigen Behördenbauten, die alle Blicke auffingen, blieb der beschriftete Balken des Hofes ungelesen. Der unterdessen pensionierte Piepgras hatte dort für die im Winter frierenden Markthändler zwei Glühtrakstuben eingerichtet, die sich einige Zeit behaupteten, dann aber viel zu klein waren.

Bäume mußten fallen

Der Asphalt des Marktes schob sich vor. Erst waren fünf, dann zehn und schließlich alle Bäume überflüssig. Unbarmherzig setzten die Holzfäller die Axt an. Der Zahn der Zeit, der Mangel an Farben in den Kriegs- und Nachkriegsjahren degradierten den schönen Hof zu einer großen Kate. Immer mehr empfanden auch die wenigen der alten Herner, daß der Anblick des Behördenforums gewaltiger sei, wenn Bergelmanns Hof den Blick nicht trüben würde. Vergeblich hatte mancher Heimatfreund nach einer historischen Episode gesucht, die den Hof aufpäppeln sollte. Sein Alter und die reine Familiengeschichte reichen höchstens aus für eine gute heimatkundliche Arbeit, die aber nur die wenigsten interessierten Ur-Herner ansprechen würde. [1]

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Quellen

  1. Text des Originalartikels der Westfälische Rundschau Nr. 205 vom 5. September 1959