Sodinger schrieben 1928 Satireschrift zur Ehe mit Herne (WAZ 05.09.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Bürger des Amtes Sodingen begegneten der Eingemeindung nach Herne im Jahr 1928 auf satirische Weise – mit einer „Festschrift zur Vermählung“.

Stadtteilreport WAZ 2014

Sodinger schrieben 1928 Satireschrift zur Ehe mit Herne

Herne.

Zwangsehen und Eingemeindungen sorgen in der Regel für böses Blut und wütende Proteste. Frag’ nach zum Beispiel in Wanne-Eickel, Wattenscheid oder Buer. Dass heimatverbundene Menschen solch schmerzhaften Eingriffen auch noch anders begegnen können, das haben einige Sodinger 1928 anlässlich der Eingemeindung nach Herne unter Beweis gestellt – mit der „Festschrift zur Vermählung der Stadt Herne mit den Gemeinden des Amtes Sodingen“.

Verantwortlich für den Inhalt dieses mit spitzer Feder verfassten Satire-Hefts ist laut dem Impressum „Antibürokratius, wohnhaft in Utopien“. Wer sich konkret dahinter verborgen habe, sei nicht bekannt, so Stadtarchivar Jürgen Hagen zur WAZ. Die Vermutung liege nahe, dass es Mitarbeiter des Amtes Sodingen gewesen seien. Was der Stadtmitarbeiter sagen kann: „Die Verfasser haben viel Humor bewiesen.“ Einige Beispiele. Unter dem Pantoffel

Als „denkwürdige Liebesgeschichte“ wird die Vermählung von Herne und Sodingen bezeichnet. Zwar habe es zunächst einen Streit um den gemeinsamen Namen gegeben, der aber schnell beigelegt worden sei. Denn: Es sei schließlich gelungen, Max (Wiethoff, Amtmann von Sodingen) zu überzeugen, „dass er sowieso unter den Pantoffel käme“. Deshalb sei es gleichgültig, welchen Namen er trage . . . Und auch einen Seitenhieb auf das offizielle Brimborium der Eingemeindung setzten die Autoren: „Reden werden nicht als Unterbrechung der Ruhe betrachtet, da sie erfahrungsgemäß das beste Schlafmittel der Welt sind.“ Ein leerer Geldschrank

Bringt die „Braut“ ordentlich Mitgift in die Ehe mit Herne ein? Die Sodinger Autoren der Festschrift bezweifelten dies offenbar, wie diese zur Zeichnung „Der Umzug“ (siehe Bild) verfassten Verse nahe legen: „Hier sieht man einen Autowagen/Der muß den großen Geldschrank tragen/Der Schrank erscheint zwar gut und schwer/Doch leider ist er gänzlich leer.“ Ozeanluftverkehr

Das Streben von Hernern nach mehr Macht und Bedeutung griffen die Sodinger mit dem satirischen Aufsatz „Herne in der Welt voran“ auf. Leider sei es Herne trotz aller Bemühungen nicht gelungen, die Stadt an den Ozeanluftverkehr anzuschließen, ätzen die Autoren. Das werde sich nun ändern dank eines findigen Kopfs in der Herner Stadtverwaltung. Sein Plan: Der Aussichtsturm des Volksparks soll zum Ankermast für Luftschiffe und große Flugzeuge benutzt werden . . . Ehrung durch Geflügelzüchter

Unter der Überschrift „Verdiente Ehrung“ heißt es in der Festschrift: „Oberbürgermeister Täger, den bisher nur leider die Hälfte der 250 Vereine der Stadt zum Ehrenvorsitzenden oder zum Ehrenmitglied gewählt haben, hat soeben eine schon seit langem verdiente Ehrung erfahren: Der Geflügelzuchtverein ,Hoch hinaus’ hat ihn zum Ehrenvorsitzenden gewählt.“ Begründung: Hernes OB habe durch die Eingemeindung den Geflügelbestand der Stadt „in einer Weise vermehrt, die den einheimischen Züchtern in ihrem irdischen Dasein nicht möglich gewesen wäre.“ Das Diplom der Geflügelzüchter solle ein „Hauptschmuck des Stadtverordnetensitzungssaal“ werden.

Jugendamt in der Kneipe Unterzeile zu dieser Zeichnung: „Massenandrang im Somerbad. Alle halbe Stunde kommt keiner.“Foto: Raffalski

Drei weitere Fundstücke aus der „Festschrift zur Vermählung der Stadt Herne mit den Gemeinden des Amtes Sodingen“. – Zu einer Zeichnung einer einsamen Besucherin im Sommerbad Herne steht geschrieben: „Massenandrang im August! Alle halbe Stunde kommt keiner“. – Verfügung des Oberbürgermeisters: „Das Jugendamt wird in das Haus des Gastwirts Drögenkamp verlegt.“ – Eine „Ausschreibung“ in der Festschrift: „Erfahrungsgemäss ist der Betrieb der Verwaltung immer wieder den Störungsversuchen solcher Personen unterworfen, denen man nichts recht machen kann. Um nun die kostbare Zeit der Verwaltung vor solchen Störungen zu schützen, wird eine geeignete Persönlichkeit als PRÜGELKNABE gesucht.“ Den hätte Oberbürgermeister Horst Schiereck heute wohl auch gerne ...

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Quellen