Emscher

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Die Emscher (plattdeutsch Iämscher) ist ein 83,1 Kilometer langer, rechter Nebenfluss des Rheins im Ruhrgebiet. Sie war mit ihrem Einzugsgebiet Flusslandschaft des Jahres in den Jahren 2010 und 2011.

Eisenbahnbrücke über Emscher an der Einmündung Schmiedesbach [1]
Eisenbahnbrücke über Emscher an der Einmündung Schmiedesbach [1]

Geografische Lage

Die Emscher entspringt südöstlich von Dortmund bei Holzwickede (Kreis Unna) am Haarstrang auf etwa 147 m ü. NN in einem Quellteich. Genau genommen existieren mehrere kleinere Rinnsale, aus denen die Emscher entspringt, die in besagten Quellteich münden. Das Einzugsgebiet des Flusses beträgt mit einem System von verzweigten Nebenläufen 775,466 km².

In ihrem Oberlauf durchfließt die Emscher – nur durch den Höhenzug Haarstrang beziehungsweise das Ardeygebirge vom Ruhrtal getrennt – den Südosten von Dortmund und wendet sich dann nach Nordwesten. Im nördlichen Castrop-Rauxel unterquert sie den Rhein-Herne-Kanal in einem Durchlassbauwerk mit drei Betonröhren. Danach fließt sie bis Oberhausen fast durchgehend parallel zu diesem Kanal in westliche Richtung. Beim Bau des Kanals hat man die Geografie des Emschertals genutzt.

In Oberhausen knickt der Fluss nach Nordwesten ab und fließt dann bis zu seiner heutigen Mündung in den Rhein bei Dinslaken-Eppinghoven. Dort ist ihre Abflussmenge auf durchschnittlich 16 m³/s angewachsen.

Die Emscher fließt durch das Stadtgebiet von Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herten, Herne, Gelsenkirchen, Essen, Bottrop, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken.

Beschreibung

Schon vor der Saale-Vereisung hat das Emschertal existiert. Noch zu Ende des 19. Jahrhunderts mäanderte die Emscher durch ihr zwischen Herten und Wanne-Eickel über 5 km breites Tal. Überflutungen größerer Teilgebiete waren nicht selten. In den Auen herrschten Eichen-Hainbuchen-Wälder und in sumpfigeren Gebieten Bruchwälder.

Seit Gründung der Emschergenossenschaft im Jahre 1899 sind die Emscher und ihre Nebenbäche kanalisiert und begradigt worden, nachdem es in Bergsenkungsgebieten zu Versumpfungen gekommen war. Dabei wurde auch das Flussbett mehrfach tiefer gelegt. Ferner wurde die Mündung in den Rhein zweimal nach Norden verlagert. In Teilgebieten kam es dadurch zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels.

Da es indes bis heute immer wieder zu Absenkungen infolge des Steinkohleabbaus gekommen ist, ist die natürliche Vorflut auch weiterhin gestört, sodass größere Teilgebiete regelmäßig über Pumpstationen trocken gehalten werden müssen.

Auf dem Gebiet des eigentlichen Emschertals sinkt die Höhenlage des namensgebenden Flusses heute von 70 m in Dortmund bis auf etwa 35 m südlich Bottrops.

Verlauf

Nachdem die Emscher in der Witten-Hörder Mulde den Dortmunder Rücken zunächst südlich und dann westlich umflossen hat, tritt sie unmittelbar westlich der Dortmunder Innenstadt ins eigentliche Emschertal ein. Auch der Dortmunder Hafen am Dortmund-Ems-Kanal liegt, östlich der Emscher, in diesem Naturraum, den der Kanal indes bald verlässt.

Eine deutliche Talverbreiterung stellt sich in Castrop-Rauxel-Henrichenburg ein, wo die Emscher auf etwa 60 m über NN den Rhein-Herne-Kanal unterquert und ihren Verlauf von Nordwest in Südwest ändert.

Die darüber hinaus erste auffällige Talweitung findet sich unmittelbar südlich Recklinghausens, wo sich das Nebental des Hellbaches bis unmittelbar vor die Innenstadt zieht. Ähnlich lang, wenngleich weniger breit, schneidet sich etwas weiter westlich und ebenfalls rechts der Emscher das Tal des Holzbaches bis Herten-Westerholt. Parallel zu beiden letztgenannten Bächen und genau zwischen ihnen verlief das Tal des heute Resser Bach genannten Bachlaufes an der Stadtgrenze zwischen Recklinghausen und Herten. Allerdings ist der Resser Bach heute auf den Holzbach umgeleitet, den er östlich von Gelsenkirchen-Resse trifft.

Weiter emscherabwärts findet sich noch, ebenfalls auf der rechten, nördlichen Seite, der – etwas weniger auffällige – Taleinschnitt des Lanferbaches und, ihm südlich gegenüber gelegen, der Einschnitt des Schwarzbaches – beide in Gelsenkirchen mündend.

Randplatten

Die nördlichen und südlichen Randplatten der Emscherniederung liegen je nur 5 m – 20 m höher als die Emscherniederung selber.

Während die südlichen Randplatten nicht durch Nebentäler unterbrochen werden, auch nicht durch das des Schwarzbaches, werden die nördlichen durch Hellbach, Resser Bach, Holzbach und Lanferbach in Einzelpatten segmentiert. Die westlichste jener fünf Platten bei Gelsenkirchen-Beckhausen geht nach Westen fließend in die Boyeplatten der Boye, des zweitgrößten Emscher-Nebenflusses, über.

Die Boyeplatten, auf denen ein großer Teil Bottrops liegt, nehmen mehr Fläche ein als alle anderen Randplatten zusammen. Überdies stellen sie bei Kirchhellen im Norden über eine nur 51 m hohe Niederwasserscheide einen Korridor zur Dorstener Talweitung der Lippe bei Dorsten her.

Geschichte

Im Mittelalter war der Fluss im Ober- und Mittellauf in weiten Teilen natürliche Grenze von Territorien. Nördlich des Flusses lag in weiten Bereichen das Gebiet des Vest Recklinghausen, südlich das der Grafschaft Mark und des Stift Essen. Die Emscher bildete auch die Süd- und Westgrenze der Grafschaft Dortmund. Entlang der Emscher waren daher zahlreiche Wasserburgen angelegt, an den Grenzen der Grafschaft Dortmund Warten.

Ursprünglich handelte es sich bei der Emscher um einen stark mäandrierenden Fluss, die Gesamtlänge betrug 109 Kilometer. Im Mittelalter wurde an den Hängen des Emschertals (u.a. bei Hörde) Weinbau betrieben. Heute erinnern Straßennamen wie Winzerweg und Weingartenstraße an diese Nutzung.

Ein Projekt der Schiffbarmachung wurde nach mehrjährigen Verhandlungen vom preußischen König Friedrich II. am 23. August 1774 abgelehnt. Auch eine Initiative unter der Führung von William Thomas Mulvany ab 1873 zum Ausbau des Flusses als Schifffahrtsweg hatte keinen Erfolg.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begann durch die einsetzende Industrialisierung im Ruhrgebiet auch ein starkes Bevölkerungswachstum. Der erhöhte Trinkwasserbedarf wurde durch das Ruhr- und Lippegebiet gedeckt, das Abwasser und das Grubenwasser der Bergwerke in die Emscher entlassen.

Die Emscher war dadurch früh zu einer Kloake verkommen (Köttelbecke). Das geringe Gefälle, der stark mäandernde Flusslauf und vom Bergbau hervorgerufene Absenkungen des Bodens verursachten Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Überschwemmungen, was aufgrund der mitgeführten Fäkalien zu steigender Seuchengefahr führte. Da die beteiligten Kommunen und Großbetriebe aus eigenem Antrieb nicht in der Lage waren, das Problem zu lösen, wurde schließlich 1899 die Emschergenossenschaft als Zwangsvereinigung der betroffenen Kommunen und einleitenden Großbetriebe gegründet. Ihre Aufgaben liegen in der Abwasserreinigung, der Sicherung des Abflusses, im Hochwasserschutz und in der Gewässerunterhaltung.

Unter der Ägide der Emschergenossenschaft wurde die Emscher um ca. drei Meter tiefer gelegt, größtenteils befestigt und begradigt. Mehrfach wurde der Flusslauf reguliert. Die Mündung wurde im 20. Jahrhundert zweimal verlegt: 1910 von Duisburg-Alsum nach Duisburg-Walsum und 1949 nach Dinslaken. Dementsprechend teilt sich die Emscher an ihrem Unterlauf in Alte Emscher, Kleine Emscher und Neue Emscher. Die Alte Emscher fließt von Oberhausen durch Duisburg-Hamborn, Duisburg-Beeck und Alsum, die Kleine Emscher von Oberhausen durch Hamborn und Walsum und die Neue Emscher von Oberhausen durch Dinslaken in den Rhein.

Die durch den Bergbau hervorgerufenen Bergsenkungen wurden durch immer höhere Deiche ausgeglichen, so dass die Emscher heute an einigen Stellen sogar einige Meter über dem Niveau der Umgebung liegt. Dies bedeutet jedoch auch, dass Zuflüsse zur Emscher, die das umliegende Land entwässern, nach oben in die Emscher gepumpt werden müssen. Ohne die Eindeichung und das Abpumpen des Wassers stünden große Teile der Emscherregion als Polder unter Wasser.

Bis vor kurzem gab es jedoch keine Alternativen zur offenen Abwasserentsorgung, da unterirdische Kanäle bedingt durch Bergschäden regelmäßig abgesunken wären.

Bis Ende der 1990er wurden vier zentrale Klärwerke errichtet:

  • Kläranlage Duisburg Alte Emscher
  • Klärwerk Emschermündung (Stadtgrenze Dinslaken, Duisburg und Oberhausen)
  • Klärwerk Bottrop
  • Kläranlage Dortmund-Deusen

Der Verlauf der Emscher dient als Trasse für verschiedene Energieleitungen. Im Bild sieht man Hochspannungsleitungen, die Steinkohlenkraftwerke (im Hintergrund das STEAG-Kraftwerk in Herne) und Verbraucher verbinden. Auf dem linken Ufer verlaufen die olivgrünen Rohre der Fernwärmeschiene Ruhr, in die Kraftwerke Wasser von 110 bis 180 °C einspeisen und damit die Übergabepunkte zu den städtischen Fernwärmeversorgern im Ruhrgebiet beliefern.

Nach heftigen Niederschlägen von lokal bis zu 200 l/m² kam es am 26. Juli 2008 im Stadtgebiet von Dortmund zu Überschwemmungen der Emscher und des Roßbaches, die besonders die Ortsteile Dorstfeld und Marten trafen. Die Emscher erreichte an vielen Messpunkten neue Hochwasserhöchststände. So wurden am Pegel in Mengede ein Wasserstand von über 520 Zentimetern, bei einem üblichen Pegel von etwa 100 Zentimetern, gemessen.

Renaturierung

Um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts galt die Emscher als der schmutzigste Fluss Deutschlands und die „Kloake des Ruhrgebietes“. Mit dem überwiegenden Ende des Bergbaus im Ruhrgebiet bzw. seiner Nordwanderung stellen Bergsenkungen in der Emscher-Region nun kein Hindernis mehr dar, so dass mit dem Bau von unterirdischen Kanälen und der Renaturierung der Emscher begonnen wurde.

Erste Schritte in Richtung ökologischem Umbau des Emschersystems wurde mit der IBA Emscherpark unter anderem mit den Radwegen Emscher-Weg und Emscher Park Radweg und dem Emscher Landschaftspark gelegt. In den 90er Jahren wurde bereits ein kurzer Abschnitt der Emscher im Rahmen der Bundesgartenschau in Dortmund renaturiert.

Das zentrale Bauwerk im Rahmen der Renaturierung der Emscher bildet der Emscherkanal. Am 13. August 2008 wurde der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster für den Abwasserkanal entlang der Emscher an den Vorstandsvorsitzenden der Emschergenossenschaft Dr. Jochen Stemplewski überreicht. Der von Dortmund nach Dinslaken verlaufende Kanal wird 51 km lang und hat einen maximalen Durchmesser von 2,80 m. Er wird das Abwasser zu den bestehenden Kläranlagen Bottrop und Emschermündung ableiten, die bisherige offene Abwasserableitung ersetzen und bis 2017 fertiggestellt werden. Daran anschließend kann die Emscher in weiteren Bereichen naturnah umgestaltet werden.

Der an der Quelle der Emscher liegende Emscherquellhof wurde 2005 von der Emschergenossenschaft grundsaniert und wird für Ausstellungen und als Tagungs- und Bildungszentrum genutzt.

Am 18. Dezember 2009 wurde in Hörde das renaturierte, oberirdische Bett der Emscher geflutet. Nachdem die Emscher an dieser Stelle über 100 Jahre verrohrt unter der Hermannshütte geflossen ist, strömt nun sauberes Wasser durch ein naturnahes Flussbett parallel zum Phoenixsee.

Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres Ruhr.2010 wurde mit der Emscherkunst.2010 auf die bespielte Emscherinsel und den aktuellen Umbau des Emschersystems aufmerksam gemacht.

Die Umgestaltung des Emschertals wurde 2014 von der UNO als „Beispiel für ein partizipatives Öko-Großprojekt“ gewürdigt. Die Emschergenossenschaft lässt sich die Renaturierung des Flusses insgesamt 4,5 Mrd. Euro kosten.

Wolfgang Berke

Visionen für die Emscher

Ein Eickeler ist seiner Zeit um 130 Jahre voraus

Während in Deutschland heute immer noch leidenschaftlich diskutiert wird, ob Straßen denn nun privat gebaut und betrieben werden sollen oder nicht, ist man im Ausland längst weiter. Private Gesellschaften bauen Straßen, Brücken und Tunnel, kassieren von den Autofahrern Gebühren, kümmern sich um Betrieb und Reparaturen – und geben dem Staat sogar noch Geld ab.

Eigentlich wäre das auch hierzulande ein alter Hut: Bereits vor 240 Jahren hatte ein Eickeler die Idee zu einer privaten Straße quer durchs Ruhrgebiet. Und als i-Tüpfelchen: Es wäre sogar eine Wasserstraße geworden. Wenn man ihn denn hätte machen lassen.

Im Juli 1767 griff Johann Florenz Engelbert von Oven, wohnhaft an der heutigen Königstraße, forsch zur Feder und machte seinem König in den blumigsten Worten einen (sagen wir’s ruhig) kackfrechen Vorschlag: „Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König, allergnädigster König und Herr! Euer Königlichen Majestät unterbreite ich allerunterthänigst nachstehende Vorschläge zur Schiffbarmachung der Emscher für den Kohlentransport zum auswärtigen Debit.“

Was Majestät – oder wahrscheinlicher: die königlichen Minister und Sachbearbeiter – dann aus Eickel vernahmen, dürfte sie zunächst einigermaßen verblüfft haben. Schließlich schlug von Oven vor, die Emscher ab „Krange“ bis hinunter zur Rheinmündung schiffbar zu machen. Vornehmlich zum Transport von Kohlen, die in der Grafschaft Kleve dringend benötigt wurden. Keine leichte Aufgabe, denn um vom preußischen Wanne und Eickel ins ebenfalls preußische Kleve zu gelangen, müsste man auch auf der Emscher durchs Ausland schippern, denn das waren Recklinghausen und Essen seinerzeit noch.

Aber nicht nur das: Die Emscher müsste zunächst mal freigeräumt, ausgebaggert und eingedeicht werden, sieben Mühlen wollten umschifft sein, und für Schleusen, Flussbegradigungen, Zollstationen und einen Leinpfad für die Pferde, welche die motorlosen Kähne ziehen sollten, müsste ebenfalls gesorgt werden. Ein teures Unterfangen. Aber das Schönste, Majestät: Das Ganze kostet keinen einzigen königlichen Taler. Weil nämlich wir Eickeler und einige Geldgeber aus Gelsenkirchen, Bochum und Schwelm das alles machen und aus eigener Tasche bezahlen wollen.

Johann von Oven war weder Händler noch Bauunternehmer, er war auch kein Reeder und kein Geologe. Im wirklichen Leben verdiente er sein Brot als Gerichtsschreiber und Steuereinnehmer. Aber wie immer er auch auf diese Idee kam, sie hatte was wirklich Großes. Hätte man die Eickeler machen lassen, wäre der Kanal nicht erst 1907 gebaut worden, sondern im Prinzip schon 130 Jahre eher. Und wer weiß: Vielleicht hätte Wanne-Eickel mit einem Hafen Crange im 19. Jahrhundert neben der Eisenbahn ein weiteres solides Standbein gehabt.

Die Argumente für den Emscher-Wasserweg müssen wohl auch den königlichen Sachbearbeitern eingeleuchtet haben: Die Kohlen holte man damals noch nahe der Ruhr aus der Erde, in Wanne-Eickel selbst begann man ja erst 1860 mit der Kohleförderung. Die Ruhr war aber zu Anfang des 18. Jh. nicht schiffbar. Also packte man die Kohle auf Pferdewagen und karrte sie mühsam hoch bis nach Gahlen bei Dorsten, wo sie dann auf die Lippe verschifft und per Kahn zum Rhein gebracht wurde. Die Fuhrwerke rumpelten über den Gahlenschen Kohlenweg, ein Teil davon war die heutige Dorstener Straße in Wanne-Eickel, der natürlich nicht gepflastert oder sonst was war. Die Fuhrleute quälten sich durch Lehm, Sand oder Schlamm – und wenn es richtig regnete, mussten sie nicht selten eine Zwangspause einlegen.

Hätte man nun einen Hafen in Crange statt in Gahlen, würde sich der Landweg von 30 Kilometer auf 10 Kilometer verkürzen, ein attraktives Angebot für die nördlichen Zechen in Bochum und Umgebung. Und weil von Oven gut in Schwung wahr, behauptete er nach kühner Berechnung, dass sich mit einem Hafen Crange nicht nur Zeit und Nerven sondern auch zwei Drittel der Transportkosten sparen ließen. Das königliche „Nein!“ kam postwendend. Wäre ja noch schöner, wenn preußische Kohlen durchs Ausland transportiert würden. Und überhaupt: Die technischen Schwierigkeiten sind sowieso unüberwindbar.

Als dann einige Jahre später die Ruhr bis Bochum schiffbar gemacht wurde und die Landtransporte nach Norden merk- lich ausdünnten, machte Johann von Oven einen erneuten Anlauf. Listig brachte er jetzt „seinen“ Hafen Crange als internationalen Umschlagplatz ins Spiel. Schließlich könnte man von hier aus Kohlen nach Holland verschiffen und Handel mit dem Ausland treiben, wovon ja die königlichen Kassen auch profitier- ten.

Die Antwort aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten. Immer noch war man skeptisch, und Majestät wollte von der Machbarkeit überzeugt werden. Woraufhin von Oven mit einigen beherzten Männern einen Kahn klar machte und auf der Emscher bis Dinslaken schipperte. Unterwegs fand die Expedition zwar eine Fülle von Hindernissen – hatte aber für alle Widrigkeiten schnell Lösungen parat. Das königliche Ohr war nun offen für die Vorschläge aus Eickel, wie man sich denn Bauarbeiten und privaten Betrieb der Emscher-Schifffahrt vorstellte.

Johann von Oven präsentierte daraufhin einen 30-Punkte-Plan, der es in sich hatte. Zwar wollte die Gesellschaft sämtliche Bau- und Betriebskosten tragen, dafür sollten ihr aber auch etliche Privilegien garantiert werden. So z.B. das Recht, für alle Flusstransporte Gebühren zu erheben, einen umfassenden Schutz der Transporte durch Polizei und Justiz, freie und kostenlose Fahrt auf jedem Emscher-Kilometer, Befreiung vom Kriegsdienst für alle Mitglieder und Beschäftigten der Emscher-Gesellschaft sowie eine 40-jährige Exklusiv-Garantie für alle Transporte. Aber nach Ablauf der 40 Jahre, so zeigte sich Johann von Oven großzügig, wollte man die gesamten Emscher-Schifffahrtseinrichtungen dem Staat schenken.

In Berlin muss dann irgend jemand schwer nachgedacht haben, vielleicht sogar Ihre Majestät höchstselbst. Entweder wollte man den Spinner aus Eickel endgültig loswerden – oder man war zu der Erkenntnis gekommen, dass er eine ziemlich geniale Geschäftsidee hatte, an der Königliche Majestät selbstredend mehr mitverdienen wollte. Also genehmigte der Preußen-Chef das Gesuch aus Eickel, stellte aber klar, dass keine ausländische Kohle transportiert werden dürfe, alle Anrainer wie Bauern oder Müller entschädigt werden müssten, und dass für den Militärdienst keine Ausnahmen gemacht würden. Außerdem sollten sich die Eickeler verpflichten, die Straße zum Hafen auf eigene Kosten zu erneuern und für alle Wege ordentliche Brücken über die Emscher zu bauen. Ach ja, dann wäre da noch eine jährliche Gebühr fällig und Majestät wolle die Emscher-Schifffahrt schon nach 30 Jahren zum Geschenk. Johann Florenz Engelbert von Oven schmiss die Brocken hin. Kurz und bündig bat er Ihre Majestät, für das Emscher-Projekt nicht mehr zur Verfügung stehen zu dürfen. Dem Gesuch wurde stattgegeben.

100 Jahre später, als der Ruhr-Transport für den täglichen Bedarf längst nicht mehr ausreichte, beschwerten sich Kohlebarone und Zechendirektoren lautstark über die miserablen Straßen zum Lippehafen in Gahlen. Bis man es auch in Berlin hörte. 130 Jahre, nachdem von Oven seine Idee begraben hatte, wurde der Rhein-Herne-Kanal eröffnet. Von Ovens „Hafen Crange“ wurde jetzt ein paar Meter weiter nördlich von einer Hafengesellschaft betrieben. Der Hafengesellschaft Wanne-Eickel/Herne/Bochum.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors [2]
Der Text wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet. Er stammt aus dem Jahr 2005

Literatur

  • DVWK Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e. V. (Hrsg.): Ökologische Erneuerung einer Industrielandschaft. In: Schriftenreihe des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und Kulturbau. Heft 108, Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser, Bonn 1994, ISBN: 3-922671-44-6.
  • Otto Dickau, Christoph Eger (Hg.): Emscher. Beiträge zur Archäologie einer Flusslandschaft im Ruhrgebiet. Aschendorff, Münster 2014. ISBN: 978-3-402-13071-1.
  • Klaus Gorzny, Claas Marlori: Burgen, Schlösser und Adelssitze im Emscher Landschaftspark. Piccolo, Marl 2001, ISBN: 3-9801776-5-3.
  • Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark (Hrsg.): Alles fließt – Das Wasser der Emscher. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. in Verbindung mit dem Stadtarchiv Dortmund. Klartext, Essen 2006, ISSN 0932-9757.
  • Hubert Kurowski: Die Emscher. Geschichte und Geschichten einer Flusslandschaft. Klartext, Essen 1993, ISBN: 3-88474-045-8.
  • Dirk Sondermann (Hrsg.): Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle. Henselowsky Boschmann, Bottrop 2006, ISBN: 3-922750-66-4.

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Ursprungstext mit Autorenverzeichnis

Wikipedia: Emscher, abgerufen am 19. März 2016

Einzelnachweise

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