Der Verkehr mit der Besatzung (Herne)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Die Besetzung der Stadt durch amerikanische Truppen, die nach zwei Wochen von britischen abgelöst wurden, und die Errichtung einer Militärregierung machten die Schaffung eines Besatzungsamtes als Verbindungsstelle zwischen der Besatzungsmacht einerseits und den Behörden, den Betrieben, der gewerblichen Wirtschaft und der Bevölkerung anderseits erforderlich.

Herne 1945 - 1950 Fünf Jahre Wiederaufbau S. 57-59

Der Verkehr mit der Besatzung

Das Besatzungsamt

Die Militärregierung bestand aus dem Kommandanten (später Kreis Resident Officer genannt) und mehreren Fachabteilungen; sie residierte bis Nov. 1949 im Hause Schaeferstraße 24 und wurde dann im Hause Bahnhofstraße 7c untergebracht, wo sie sich noch heute [1950] befindet.

Der Leiter des Besatzungsamtes war verpflichtet, mit Ausnahme des Sonntags jeden Morgen um 8.30 Uhr bei der Kommandantur zu erscheinen, um Weisungen und Befehle entgegenzunehmen bzw. Verwaltungsangelegenheiten und Anträge aus dem Wirtschafts- und Zivilleben zur Sprache zu bringen. Ein persönlicher Kontakt war infolge des Fraternisierungsverbots nicht möglich. Die Verhandlungen erforderten viel Geschick und Takt. Durch die spätere Aufhebung des Fraternisierungsverbots und den täglichen Umgang wurde das Verhältnis besser. Doch oft war kaum der Kontakt mit einem Offizier hergestellt oder einigermaßen gefestigt, so erfolgte seine Versetzung, und das Vertrauen des in die Stelle neu eingewiesenen Offiziers musste erst wieder gewonnen werden.

Bei den täglichen Besprechungen mit dem Adjutanten wurden dem Leiter des Besatzungsamtes laufend schriftliche und mündliche Befehle zur Lieferung und Leistung von Gegenständen aller Art erteilt. Sie betrafen u. a. Radioapparate, Klaviere, Musikinstrumente, Betten, Decken, Einzelmöbel, Bett-und Tischwäsche, Waschmittel, Teller und Bestecke, Aufstellung von Schildern und deren Beschriftung, Fahrzeuggestellungen, Gestellung von Arbeitskräften, Reparaturen an Licht- und Wasserleitungen und sonstige handwerkliche Arbeiten. Diese Befehle wurden an die zuständigen Abteilungen, wie das Wirtschaftsamt und das Bauamt, weitergeleitet.

Hierzu kamen in den ersten Wochen der Besetzung wilde Requisitionen durch Front Truppen, wobei der Zivilbevölkerung Schäden in erheblichem Umfange entstanden. Diese konnten in den wenigsten Fällen ersetzt werden, da nur solche Schäden reguliert werden durften, die durch einen ordnungsmäßigen Requisitionsschein nachgewiesen wurden. In der späteren Zeit wurde versucht, durch nachträgliche Erlangung eines Requisitionsscheines die Entschädigung möglich zu machen.

Auch größere Requisitionen erfolgten auf Grund eines Requisitionsscheines. Diese Schäden wurden den Beteiligten durch das Besatzungsamt in kürzester Zeit bezahlt, und zwar vorerst aus städtischen Mitteln. Nach Errichtung der Feststellungsbehörde wurde das gesamte Verrechnungswesen von dieser Stelle übernommen und das gezahlte Geld aus den von der Regierung zur Verfügung gestellten Mitteln abgedeckt.

Während eine Reihe von Gebäuden (Finanzamt, Polizeidienstgebäude, Schule Neustraße) mit Truppen belegt waren, befanden sich in den Schulen Schützenplatz, Overweg- und Ludwigstraße ehemals gefangene Russen. Die plötzlich frei gewordenen Gefangenen wurden zu einer wahren Plage für die Einwohner der Stadt. Sie gingen in die Häuser, raubten und plünderten im Beisein der Wohnungsinhaber. Raubüberfälle waren an der Tagesordnung. Mit den gestohlenen Waren wurde reger Tauschhandel getrieben. Auf diese Weise kam es vor, dass der Bestohlene wieder in den Besitz seiner eigenen Sachen kam. Nach dem Abtransport der Russen trat eine fühlbare Erleichterung ein.

Durch die Beschlagnahme von Privatwohnungen, die oft in kürzester Frist — manchmal stand nur eine Stunde zur Verfügung — geräumt werden mussten, ließen die Bewohner manchmal die notwendigsten Gebrauchsgegenstände zurück, die nachher in einer notdürftigen Ersatzwohnung als fehlend erkannt wurden.

Dann wurde die Herausgabe beim Besatzungsamt beantragt und durch Verhandlungen in sehr vielen Fällen auch erreicht.

Infolge der Belegung von Privatwohnungen durch die Truppen wurden oft Straßenteile (z. B. auf der Schaefer-, Hermann-Löns- und Otto-Hue-Straße) gesperrt. Für einzelne in diesem Sektor noch wohnende Privatpersonen mussten besondere Ausweise ausgestellt werden, die zum Betreten der gesperrten Straßen berechtigten.

Reisegenehmigungen für die britische Zone und Einreisegenehmigungen in andere Zonen nahmen in der ersten Besatzungszeit den breitesten Raum ein. Zunächst war das Verlassen der Stadt überhaupt unterlagt. Nach Auflockerung dieser Bestimmung war das Betreten anderer Orte bzw. Städte nur auf Grund besonderer Bescheinigungen möglich. Diese konnten vom Besatzungsamt in eigener Zuständigkeit erteilt werden. War das Reiseziel nur mit der Eisenbahn zu erreichen, müssten besondere Reiseanträge für die britische Zone gestellt werden. Diese Anträge wurden von der Militärregierung entgegengenommen und am gleichen Tage genehmigt oder abgelehnt. In den meisten Fällen handelte es sich um die Rückführung von Evakuiertengut.

Später sind wohl auch Besuchs- und Hamsterfahrten durchgeführt worden. Die fadenscheinigsten Gründe wurden oft aufgeführt, um den Anträgen den größten Nachdruck zu verleihen. Eine Nachprüfung der Angaben konnte meistens nicht erfolgen, so dass die Entscheidung über Befürwortung oder Nichtbefürwortung oft sehr schwer war, zumal täglich etwa 200 bis 300 Personen vorstellig und nur 30 bis 40 Prozent der Anträge genehmigt wurden. Soweit andere Zonen in Betracht kamen, gingen die Anträge von der örtlichen Militärregierung zur Bezirksmilitärregierung. Diese entsprach den Anträgen nur in zahlenmäßig geringen Fällen.

Fast täglich versuchten Zivilpersonen, ihre Anliegen beim Kommandanten persönlich vorzutragen. Diesen Personen wurde in den Fällen, in denen ein Erfolg zu erhoffen war, ein entsprechender Ausweis ausgefertigt, der zum Betreten des Kommandanturgebäudes berechtigte, oder die Antragsteller wurden von dem Leiter des Besatzungsamtes persönlich bei den morgendlichen Rücksprachen den jeweiligen Stellen zugeleitet. Das Be-satzungsamt wurde allerdings manchmal in unmöglichen Fällen in Anspruch genommen. Selbst Denunzianten stellten sich ein, und anonyme Zuschriften waren leider nicht selten.

Mit dem Einmarsch der Truppen lag das gesamte Wirtschaftsleben still, nur die Einzelhandelsgeschäfte hielten ihren Betrieb offen. Schon nach einigen Tagen nahmen die Zechen ihre Tätigkeit, soweit Arbeitskräfte zur Verfügung standen, wieder auf. Nach und nach erhöhten sich die Belegschaftsziffern durch die Rückkehr der Arbeiter. In der übrigen Industrie wurde eine produktive Tätigkeit vorerst nicht ausgeübt, da es an Kohle, Koks, Strom und Gas fehlte. Die Arbeit der Belegschaften dieser Betriebe bestand daher vorerst in Aufräumungs- und Reparaturarbeiten. Im Laufe der Zeit erhielten diese Betriebe dann die Produktionsgenehmigung, und ihre Tätigkeit wurde, wenn auch vorerst in ganz geringem Maße, wieder aufgenommen. Im Jahre 1945 wurden von den Fabrik- und sonstigen größeren Betrieben 82 Permits beantragt und genehmigt, während die kleinen Betriebe die generelle Genehmigung zur Weiterarbeit erhielten.

Von den 12 größten Industrieunternehmen wurde ein wöchentlicher Bericht verlangt, der Auskunft gab über den Zustand der Fabrik, über die hergestellten Güter, über die vorhandenen Vorräte an Rohmaterial, über halb-fertige und fertige Fabrikate sowie über die Gesamtzahl der Beschäftigten und evtl. Arbeitsausfälle. Die Arbeitsausfälle waren zum Teil sehr beachtlich, da ein großer Teil der Belegschaft Hamsterfahrten unternahm. Der aus den Einzelberichten gefertigte Gesamtbericht musste an jedem Dienstag dem zuständigen Wirtschaftsoffizier vorgelegt werden.

Sämtliche Zechen waren mit Überwachungskommandos besetzt.

Das Wirtschaftsleben unterlag auch sonst mancherlei Einschränkungen, die einschneidender Natur waren und den gesamten Wirtschaftsablauf hemmend beeinflussten. So wurde der Fernsprechverkehr beim Einmarsch der Truppen vollständig ausgeschaltet. Die Wiederinbetriebnahme erfolgte zwar nach kurzer Zeit, jedoch erhielten die Fernsprechteilnehmer die Genehmigung nur auf vorherigen Antrag. Die Anträge wurden vom Besatzungsamt entgegengenommen, in Listen zusammengestellt und dem Verkehrsoffizier bei der Militärregierung laufend eingereicht. Die Stadt Herne hat als eine der wenigen gleich glücklichen Städte in kürzester Zeit den Fernsprechverkehr, soweit es sich um den Ortsverkehr handelte, in großem Umfange genehmigt erhalten. Bis März 1946 wurden insgesamt 1581 Anträge auf Wiederinbetriebnahme und 372 auf Neuzulassung gestellt und genehmigt. Sofern es sich um den Fernverkehr handelte, erfolgte die Genehmigung höheren Ortes. Sie zu erlangen, war nicht leicht. Dies besserte sich erst im Laufe des nächsten Wirtschaftsjahres.

Die Beschaffung von Rohmaterialien war äußerst schwierig. Die Lieferanten machten meistens die Lieferung davon abhängig, dass die Bestellschreiben von der örtlichen Militärregierung abgestempelt waren. Diese Abstempelung wurde von der Militärregierung in den ersten Monaten stillschweigend durchgeführt. Später ging das Beschaffungswesen auf deutsche Stellen über, und damit entfiel dieses Verfahren. Im Herbst 1945 wurde 36 Mittel- und Kleinbetrieben der Kraftstrom entzogen. Durch persönliche Verhandlungen gelang es, diese Betriebe wieder in das Stromnetz einzuschalten.

Nach Abzug der beiden Besatzungsregimenter Royal Air Force im Januar 1946 und des 7. Medium Regiment im Juni 1946 trat in den Beziehungen zur Besatzung eine große Erleichterung ein. Die einzelnen Abteilungen bei der Militärregierung kamen zu Beginn des Jahres 1946 zur Auflösung, und im August 1946 ging auch die letzte Stelle des Wirtschaftsoffiziers ein. Der überwiegende Teil der Aufgaben wirtschaftlicher Art ging in deutsche Hände über. Seit dieser Zeit sind die Anforderungen an das Besatzungsamt sehr gering geworden; es besteht lediglich als Verbindungsstelle zwischen Kommandantur und Stadtverwaltung. Eingaben an die Militärregierung haben fast vollständig aufgehört. Hin und wieder werden zwar Personen vorstellig, die eine Rücksprache beim Kommandanten wünschen, jedoch müssen die meisten wegen Unzuständigkeit an deutsche Stellen verwiesen werden.

Die eingetretene Erleichterung infolge der Unsichtbarmachung der Besatzung ist bis heute bestehen geblieben.

Englische Militärregierung von Herne

Die Herner Militärregierung (heute British Resident's Office genannt) wurde in den Jahren 1945 bis 1950 geleitet von den Kommandanten bzw. Kreisresident-Offizieren:

Major Wakefield
Oberstleutnant [Lieutenant-Colonel] Guiton
Oberstleutnant Thomas
Oberstleutnant Barker
Oberstleutnant Kensington
Major Hardy
Oberstleutnant Mitchell

Quellenlage

Die Britischen Staatsarchive haben eine vielzahl noch unausgewerte Materialien zur Herner Militärregierung.

  • Subsubseries within FO 1013 - Kreis Resident Officers' Monthly Reports - FO 1013/521 - Stadtkreis Herne - 1948-1949 Link
  • Subsubseries within FO 1013 - Kreis Resident Officers' Monthly Reports - FO 1013/1411 - Stadtkreis Herne - 1949 Link
  • Subsubseries within FO 1013 - Kreis Resident Officers' Monthly Reports - FO 1013/583 - Stadtkreis Wanne-Eickel - 1949 Link
  • Subsubseries within FO 1013 - British Residents'Monthly Reports - FO 1013/1401 - SK Castrop-Rauxel and SK Herne - 1949-1950 Link


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Quellen